Nachdem ich ca. 1200 km vom indischen Festland in Richtung Thailand geflogen bin, tauchen unter mir aus dem Nichts plötzlich Inseln auf..die Andamanen! Von hier bis nach Thailand sind es „nur“ noch 1000 km, ein Katzensprung. Die Inselgruppe besteht aus ca. 600 Inseln und Inselchen, von denen weniger als 40 bewohnt und nur 6 für Touristen zugänglich sind und heißt mit vollem Namen „Andaman and Nicobar Islands“.
Vor ewigen Zeiten von den Briten als Gefängnisinseln genutzt und nun Teil des Indischen Staatsgebietes, beherbergen die Andamanen noch einige indigene Stämme, die unterschiedlich tief in unsere Zivilisation integriert sind. Die Onge, von denen es nur noch weniger als 100 auf den Little Andamans gibt, haben recht regelmäßigen Kontakt zur modernen Zivilisation, wobei der Nutzen durchaus fragwürdig ist, im Grunde leben sie als Jäger und Sammler in den tropischen Wäldern.
Als zweite Gruppe sind die Jarawa zu erwähnen, die mit 200 Mitgliedern eine stärkere Population aufweisen und als Nomaden auf den Middle und South Andamans, ebenfalls nach traditioneller Lebenweise der Jäger und Sammler leben. Durch ihr Stammesgebiet führ seit einigen Jahrzehnten eine „Transitstrecke“, wodurch sie Ende der 90-er Jahre verstärkt in den Kontakt mit den indischen Einwanderern kamen, was ihnen einige bis dato unbekannte Krankheiten brachte und zu skurrilen Situationen führte. Die ersten Jarawa, die sich aus dem Dschungel wagten, wurden mit Geschenken „belohnt“. Man gab ihnen Kokosnüsse, Kleidung und anderen Krimskrams. Das führte dazu, dass die Jarawa das Verhalten des „beschenkt werdens“ erlernten und auch als die Geschenke endeten, sich das nahmen, wonach ihnen war.
Und dann wären da noch die auf den North Sentinel Islands lebenden Sentinelesen, ein besonders sympathisches Grüppchen, die jeglichen Kontakt mit uns ablehnen. Bereits von Heinrich Harrer aus der Ferne gefilmt und über Jahre hinweg mit „Geschenken“ bedacht, empfangen sie alles was sich ihnen nähert mit einem ordentlichen und aussagekräftigen Pfeilhagel. Bemerkenswerter Weise, wurde diese indigene Gruppe nicht durch den heftigen Tsunami 2004 ausgelöscht, da sie sich rechtzeitig auf höher gelegene Gebiete retteten, ohne moderne Frühwarnsysteme und dergleichen.
Für den Besuch der Inselgruppe benötigt man eine besondere Genehmigung, die man jedoch in der Hauptstadt Port Blair beim Einreisen erhält und die einen zu einem 30-tägigen Aufenthalt in einem streng beschränkten Gebiet (nur auf bestimmten Inseln) berechtigt. Port Blair ist wahrlich keine Schönheit und so habe ich mir als erstes Ziel die Insel Havelock, mit dem von den Lesern der Times Asia zum schönsten Strand Asiens gewählten Beach No. 7, ausgesucht. Also auf geht’s zum Fährhafen und ich habe Glück in ca. einer Stunde geht die nächste. Im Ticketoffice teilt man mir mit, ich bräuchte noch eine Kopie meiner Aufenthaltsgenehmigung. Gut, dann kopieren wir die. Aber nein, das ginge hier nicht, da müsse ich mich auf den Weg machen. Gesagt – getan, voller Freude kehre ich – mit gleich mehreren Kopien, man weiß ja nie – zurück und die nette Dame teilt mir nun mit, Tickets könne sie mir nicht verkaufen, das ginge nun nur noch auf dem Schiff. Doch auch diese Information stellt sich als falsch heraus und letztendlich erwerbe ich in einem rumpeligen Raum von nicht gerade vertrauenserweckenden Personen einen Zettel, der mich zur Überfahrt nach Havelock berechtigen soll. Für die Kopie meines Permits interessieren sie sich herzlich wenig, um nicht zu sagen gar nicht. Aber mit Hilfe des Zettels komme ich tatsächlich auf die Fähre und suche mir einen Platz, so wie alle anderen auch, bis ein Pedant mit französischem Akzent auf seinem im Ticket festgehaltenen Sitzplatz besteht, was dazu führt, dass die ganze natürliche Ordnung gestört ist und nun ca. 70% der Passagiere aufgeregt ihre Plätze tauschen (müssen). Aber wenigstens einer ist glücklich und zufrieden.
Auf Havelock angekommen erwartet mich eine weitere Überraschung, denn das abgelegene Island, wenn auch das beliebteste innerhalb der Andamanen, ist gnadenlos überfüllt. Gut und günstig ist nahezu unmöglich, ohne eine Reservierung und wie überall auf der Welt wird der Preis durch Nachfrage bestimmt. Mit etwas Glück ende ich, nachdem ich mehrere „Resorts“ – bereits ein paar gammlige Hütten können hier ein Resort sein – besucht habe, im Green Imperial Resort, was gar nicht so Imperial ist, nicht direkt am Strand liegt, aber dafür eine gewisse Dschungelatmosphäre bietet. Nachdem auch hier zunächst kein Zimmer frei ist, findet sich dann doch eines, in welchem eigentlich jemand wohnt, der für ein paar Tage auf eine andere Insel geflüchtet ist und dem könne man ja dann beizeiten etwas anderes anbieten. Nun bin ich stolzer Mieter eines Bambusbungalows, mit eigenem Bad, was bedeutet, es wurde eine geflochtene Trennwand aus Bambus im Bungalow installiert und dahinter eine Toilette, samt Waschbecken und Wasserrohr, aus dem kaltes Wasser „tropft“ versteckt. Doch die Krönung des Ganzen ist die kleine Terrasse, auf der eine Hängematte gespannt ist, die zum entspannten Lesen und wortwörtlichen Abhängen einlädt. Doch zunächst krieche ich unter mein Moskitonetz und begebe mich in Morpheus’ Arme.
Ja was macht man auf einer Insel, mit „Traumstränden“ und dergleichen den lieben langen Tag. Nachdem der Hausstrand Beach No. 5 – weisser Sand, aber recht schmal und bewachsen, Wassertiefe die ersten 100m auf Kniehöhe – erkundet und für semibrauchbar befunden ist, werden ein Scooter gemietet und Tauchschulen aufgesucht, denn zählen die Andamen doch zu einem der besten Tauchspots weltweit. Bei den Andaman Bubbles fühle ich mich am wohlsten und dort beginnt auch direkt am Folgetag ein PADI Open Water Course, die viertägige Einstiegsversion, um tauchen zu lernen. So kann ich mir den „schönsten Strand Asiens“ – Beach No. 7 – im Laufe des Nachmittags zu Gemüte führen. In der Tat ist der Strand beeindruckend, weit zieht sich der schneeweiße Sand auf einer Breite von ca. 30 Metern vor einer grünen dschungelartigen Kulisse dahin und berührt die türkisen, sanft wogenden Fluten. Es könnte perfekt sein, wären da nicht all die Menschen. Dort wo die Straße auf den Strand trifft, ist es „unerträglich“: gefühlte Busladungen indischer Pauschaltouristen im japanischen Photorausch. Aber wenn man gewillt ist – und das bin ich durchaus – einige Meter zu laufen, so findet man einen ruhigen Flecken, wo es 20-30m Abstand bis zum nächsten Sonnenbadenden sind. Aber das Prädikat „einsam“ kann ich diesem Strand beim besten Willen nicht verleihen.
Der erste Tag des PADI Kurses beinhaltet die ganze Theorie. Und so erfahre ich einiges, von Ausrüstung, über Technik, Gefahren und Riskiken und wie man diese vermeidet bzw. kalkuliert. Von 9-17.30 Uhr wird gelesen, werden Videos geschaut und Wissen repetiert, bis die abschließende Prüfung bevorsteht und mit Bravour bestanden wird. Das hätten wir und zu Feier des Tages gönnen wir uns ein leckeres Abendessen – welches entsprechend bepreist ist – im Fullmoon Cafe, einem der vielen Restaurants die sich entlang des Beach No. 5 angesiedelt haben – welcher auch die Hauptadresse für Resorts und Guesthouses auf der Insel ist – aber ein angenehmes Ambiente nur 10m entfernt vom Wasser bietet.
Der erste Tag im Wasser – oder genauer gesagt „unter Wasser“ – steht an. Es ist 7.30 Uhr, Tauchen ist anscheinend eine morgendliche Aktivität und auf der Ladefläche eines Pickups fahren wir zum Depot der Tauchschule, wo wir eine erste Einweisung in die Ausrüstung erhalten, alles mehrfach auseinander und zusammen bauen müssen, bevor wir unsere Sachen packen und in eines der schuleigenen Boote steigen. Zwar gibt es ein neues Speedboat, die Wave Dancer, doch das ist für die Touren zu weiter entfernteren Divesites bestimmt und so klettern wir in ein Dunghi, ein indisches Fischerboot, recht schmal und wackelig aus einem Baum geschnitzt. Womit wir beim Thema wären. Beim Fahren selber hält sich das Wackeln noch in Grenzen und man könnte fast sagen es macht Spass in die Wellen zu fahren. Doch als wir schließlich ankern und das Boot von den Wellen sanft nach links und rechts geneigt wird, bin ich kurz davor mein ohnehin schon spärliches Frühstück an die Fische zu verfüttern. Unser Instruktor macht das ganze nicht besser, indem er verkündet, er werde nun „nur kurz durch die 293 verschiedenen Skills gehen, die wir beherrschen müssten“. Natürlich sind es weit weniger, aber ich bekomme davon nicht viel mit, da ich das Ufer fixiere und mit stetigen Schluckbewegungen versuche der Aufwärtsbewegung des Mageninhalts entgegenzuwirken. Erlöst springe ich als erster ins Wasser, als es endlich heißt, wir würden nun zum praktischen Teil übergehen. Und der findet im 1-2 m tiefen Wasser in Ufernähe statt, wo Allerlei geübt wird, bis es zu unserem ersten Tauchgang vor dem John Lawrence Island geht. Auf bis zu 10 m gehen wir in den 30 Minuten und bekommen einiges zu sehen. Von Hummer, über Skorpionfisch bis zum Stachelrochen, der sich dezent verabschiedet, als er uns bemerkt. Auch eine white banded sea krait ist vor Ort, eine hochgiftige Schlange, deren Kiefer jedoch so klein sind, dass sie den Menschen nur in den Finger- oder Zehenzwischenräumen beißen könnte. Leider sind die Korallen nicht sehr gut erhalten, nachdem 2009 eine großes Korallensterben eingesetzt hat und die Riffe regenerieren sich nur langsam. Der frühe Start in den Tag hat den Vorteil, dass ich auch wieder früh in meiner Hängematte liegen und mich von meinem Unwohlsein erholen kann.
Am nächsten Morgen stehe ich erneut in der früh in der Tauchschule, aber mein Instruktor nicht. Krank ist er. Gut, dann beginne ich den Tag eben mit einem Strandspaziergang, wo ich beinahe über ein paar noch, oder schon wieder kiffende Israelis stolpere. Aus unerfindlichen Gründen herrscht auf der Insel eine Knappheit an Sprit und obwohl regelmäßig etwas von Port Blair per Fähre geliefert wird, was sofort in den „Tankstellen“, es sind eher Garagen, die den Treibstoff in Fässern lagern, veräußert wird, bekomme ich einen Liter pro Tag von meinem Mopedvermieter. Das erlaubt keine ausgedehnten Spritztouren, die auf der Insel ohnehin nicht möglich sind, aber es reicht, um zum Elephant Beach zu fahren. Oder zum Ausgangspunkt für den ca. einstündigen Dschungeltrek, der zum Beach führt. Wer sich die Mühe macht und bei Google nach Bildern der Andamans sucht, dem wird auffallen, dass es dort einen, oder mehrere schwimmende und tauchende Elefanten gibt. Für gar nicht mal so wenig Geld (ca. 150€) kann man eine Stunde mit dem schwimmenden Elefanten verbringen und Fotos machen. Dafür ist mir mein Geld dann aber doch zu schade. Nichtsdestotrotz lohnt der Weg zum Elephant Beach, der auf Grund seiner Abgeschiedenheit wesentlich schwächer frequentiert und nur bei Ebbe zu betreten ist, da man durch einen Labyrinth artigen Mangrovensumpf waten muss, bevor man den Strand erreicht. Die Deko aus Schwemmholz, Mangroven und anderen teils schon abgestorbenen Bäumen ist phantastisch und Muschelsammler werden hier garantiert fündig. Selbst die Warnschilder mit dem Hinweis auf Salzwasserkrokodile und dass das Schwimmen bei Einbruch der Dämmerung tunlichst unterlassen werden sollte, tagsüber wachen hier bewaffnete Posten, trüben nicht die Atmosphäre des Strandes.
Salzwasserkrokodile sind ein ernstes Thema auf den Andamanen, wurde doch 2010 od 11 eine amerikanische Touristin nahe Beach No. 7 von einem gerissen. Zwar sind sich alle Experten einig, dass dies ungewöhnlich und eine Ausnahme sei, aber passiert ist es trotzdem. Und auch im ersten Quartal dieses Jahres fiel ein Einheimischer auf den Little Andamans einem Salzwasserkrokodil zum Opfer. Schnappt ein Hai in der Regel nur ein Mal zu, um die Schmackhaftigkeit der potentiellen Beute zu prüfen und lässt dann ab, so kommt das Krokodil und zerrt die Nahrung unter Wasser, wobei das Kräfteverhältnis in der Regel eindeutig zu Gunsten des Reptils gewichtet ist. Schlechte Karten für uns Menschen, daher an dieser Stelle ganz klar meine Empfehlung: fern halten. Was ich auch erfolgreich getan habe.
Vor meinem zweiten Tauchtag habe ich mich vorbereit und ein wenig gemogelt, aber mit Hilfe der Tabletten gegen Seekrankheit sitze ich nun ganz ruhig im „Rock’nRolla“ der wahrlich Rock’n’Roll auf dem unruhigen Meer tanzt. Selbst meine schwedischen Mittaucher, die beim letzten Mal völlig unbeeindruckt im Boot saßen beugen sich nun wiederholt über die Boardwand. Ein weiteres Mal heißt es üben, üben, üben, bevor es zu den Divesites geht, wo wir uns am Fishlife erfreuen. Und was gibt es schöneres, als sich auf dem Dach des Bootes in der Sonne liegend aufzuwärmen und zu stärken.
Ich erwache ein weiteres Mal, es ist der 26. Januar, ein besonderer Tag, nicht nur für mich, nein auch für die Inder. Die Inder feiern ihren Nationalfeiertag und ich meinen Geburtstag. Und damit die Inder nicht zu doll feiern, hat die Regierung beschlossen, an diesem Tag dürfe landesweit kein Alkohol ausgeschenkt werden, was in manchen Regionen keinen Unterschied zur Normalität macht, aber meinem Geburtstag leider nicht im geringsten Rechnung trägt.
Auch die Jungs vom Tauchshop haben mitbekommen, dass ich Geburtstag habe, was aus ihrer Sicht gefeiert werden muss und dank ihrer Alkoholreserven geht es nicht vollkommen nüchtern von statten. Sogar einen Schokokuchen haben sie organisiert, von dem ich nach dem ersten Bissen etwas ins Gesicht geschmiert bekomme, weil es angeblich ein alter indischer Brauch ist, der Glück bringt. Wir werden sehen. Aber zumindest ist es eine kleine illustre Runde, die sich da am Abend des 26.01.2012 am Beach No. 5 unter Palmen im Kerzenschein, mit Gin und Wodka, 2,5 Bier und Schokokuchen zu meinen Ehren versammelt hat, während ich mir die original kubanische Zigarre (Marke Romeo y Julieta), die mir mein Freund Ray in St. Petersburg als Mitbringsel aus seinem Heimatland vermacht hat, schmecken lasse.
Nachdem ich leicht schwankend mein Bett erreicht und nur wenige Stunden dort verbracht habe, heißt es ein weiteres Mal aufstehen und raus aufs Meer. Heute ist Deep Dive angesagt, das bedeutet, tauchen tiefer als 18m und bis zu 30m. Da das Ziel etwas weiter entfernt ist, nehmen wir heute das Sportboot „Wave Dancer“. Und das kann genau zwei Sachen: schnell übers Wasser fahren und abartig wackelnd auf den Wellen tanzen. Die Tauchgänge werden als sogenannte Fun-Dives angeboten, aber im Wave-Dancer zu sitzen und darauf zu warten, dass alle fertig sind, ins Wasser zu gehen, ist alles andere als „Fun“, trotz Pillen und Frühstück. Gut, auch der Alkoholkonsum des Vorabends und der Schlafmangel tragen ihr übriges dazu bei, aber da waren mir ja nun wirklich die Hände gebunden. Sozusagen in letzter Minute geht’s ins Wasser, wo das auf und ab der Wellen keine Besserung bringt und auch beim Abtauchen am Ankerseil des Bootes werde ich auf und ab gezogen, so dass ich kurz davor bin, durch den Regulator zu erbrechen. Aber nur kurz davor, denn dann zieht mich die Unterwasserwelt in ihren Bann. Die unzähligen Fische, mal silbern, mal schillernd bunt, die das Riff bevölkern, mich umschwimmen und neugierig begleiten, sind das erste was ich wahrnehme. Aber auch Baracudas, ein riesiger Napoleon, Haie in der Ferne und eine surreal blau schillernde Qualle lenken mich von meiner Übelkeit ab.
Während des Aufenthaltes an der Oberfläche vor dem zweiten Tauchgang es jedoch nur noch schlimmer als zuvor und so beziehe ich einen Stammplatz an der Reeling, den ich nicht verlassen mag, selbst als der Magen längst leer ist. Mit Mühe quäle ich mich erneut ins Wasser, aber sobald wir unter der Wasseroberfläche verschwunden sind, ist es als wäre nie etwas gewesen. Höhepunkt diesmal sind fünf Whitetip reef sharks, die faul auf Grund liegen und sich auch nicht rühren, als wir in 3-4 m Entfernung an ihnen vorbei tauchen. Zum Glück dauert die Rückfahrt „nur“ 45 Minuten und ich möchte fast dankbar auf die Knie fallen und den Boden küssen, als wir endlich Land erreichen, was ich mir gerade so verkneifen kann und mich mit flauem Magen in meine Hängematte begebe.
Und auch mein letzter Tag auf Havelock beginnt früh am Morgen, will ich doch auf die wesentlich schlechter besuchte Long Island, wo es lediglich ein Hostel, aber dafür keinen motorisierten Transport und wenig Touristen und nur eine Fähre alle 2-3 Tage gibt. Darum muss man früh aufstehen und zum Ticketschalter, da Tickets nicht im Voraus erworben werden können. Bereits der Rickshawfahrer, der mich zum Hafen bringen soll, erzeugt Heiterkeit in mir. Will er doch das Doppelte des üblichen Preises, aber nicht mit mir. Am Hafen angekommen geht der Spaß weiter. Ich bin 8.30 Uhr vor Ort, um 9 Uhr soll die Fähre ablegen. Drei Schlangen stehen an den beiden Schaltern, die aber geschlossen sind und es ist nicht ersichtlich, nach welchem Konzept sich die Schlangen bilden. Ist aber vorerst auch nicht wichtig, denn um 9 Uhr erfahre ich, die Fähre kommt erst 9.45 Uhr. Um viertel nach neun werden die Ticketformulare ausgehändigt und es wird darauf hingewiesen, dass zudem eine Kopie der Aufenthaltsgenehmigung nötig sei. Wie gut, dass ich da bestens vorbereitet bin und nun lachend meine Kopie aus Port Blair aus dem Rucksack zaubere.
Obwohl der Schalter 9 Uhr öffnen sollte und nur 5-6 Leute vor mir stehen sind bis 10 Uhr genau Tickets an zwei Personen verkauft worden. Die Schlange in der ich stand ist von ausländischen Touristen dominiert, doch die Inder, insbesondere die jungen, haben offensichtlich wenig Lust die Wartezeit dort zu verbringen, möchten dann aber wenn es los geht ganz vorne dabei sein. Die unverschämten Versuche sich nach vorne zu schmuggeln werden von ein paar kräftigen Touris unterbunden, was die Inder dazu bringt sich einer teuflischen List zu bedienen. Sie drücken all ihre Formulare einem alten Mann in die Hand, der so wirkt, als könne jeder Atemzug sein letzter sein und „helfen“ ihm ans Schalterfenster. Gefangen in unserer Gutmensch-Attitüde wagt sich niemand ihn zurückzuweisen und so sehen wir zu, wie er ca. 20 Tickets erwirbt und anschließend verteilt. 1:0 für Indien.
Mittlerweile ist es 10:20 Uhr, die Fähre kommt und es ist kein Vorankommen sicht-, oder spürbar. Kurz entschlossen schnappe ich mir meinen Rucksack und mache mich auf den Weg zum Pier. Ich komme genau bis zur Polizeikontrolle, wo man gern mein Ticket sähe. Mit dem Hinweis auf die Effizienz des Verkaufspersonals und dass ich mein Ticket an Board erwerben würde, lassen sich keine Punkte sammeln, dafür begleitet mich einer der Polizisten samt Knute unterm Arm auf meinem Rückweg, bis er nahe genug am Verkaufshäuschen ist, um das lethargische Personal in einem möglichst unfreundlich und barschen Befehlston zu instruieren. Es wirkt wie Magie und Zauberei, denn plötzlich öffnet sich eine Seitentür und in Windeseile werden die Fahrkarten nach Long Island verkauft. Großartig, denn nun kann ich mich gemeinsam mit Benjamin aus Holland, aber in den USA lebend, der mein Schicksal teilte, an Board begeben.
Vorbei geht es an etlichen kleinen traumhaften Inselchen, 1-2 Zwischenstopps werden eingelegt, bei denen Passagiere per Dunghi geholt und gebracht werden, da die kleineren Inseln über keine Häfen verfügen und schließlich erreichen wir Long Island. Offensichtlich haben nur wenige der an Board befindlichen Touristen ein Zimmer im Vorfeld reserviert, denn geschwind machen sich alle auf den Fußmarsch zum Inselguesthouse. Besonders gewieft geht dabei das israelische Pärchen vor. Anfänglich führend, drohen Benjamin und ich ihnen ihre Führung streitig zu machen und derart unter Druck gesetzt ändern sie ihre Strategie und während sie bei dem Gepäck bleibt, beginnt er fast zu Joggen, nur um ja als erster ans Ziel zu gelangen. Schafft er auch mit ca. 10 Sekunden Vorsprung. Im Guesthouse tut man zunächst so, als hätte man gar keine Zimmer. Na gut, drei gäbe es, nach 10 Minuten werden es vier, dann fünf und ein paar Zelte stünden auch noch gleich um die Ecke. Letztendlich werden alle untergebracht und ich teile mir ein Zimmer mit Benjamin. Der „Hausstrand“ ist nur fünf Minuten entfernt und bietet neben zufriedenstellenden Schnorchelmöglichkeiten – es gibt kleinere Fische, Lionfish und auch die white banded sea krate ist zu Gast – einen spektakulären Sonnenuntergang.
Nach einem kleinen Frühstück – es gibt auf Grund von Lieferengpässen kein Bot – mache ich mich mit Benjamin auf den Weg zum Lalaji Beach, „dem“ Strand der Insel, etwas abgelegener – 1,5 Stunden Fußweg durch den Dschungel – aber dafür einsam und wunderschön. Nachdem wir uns zunächst im Dschungel kurz verlaufen, da die Farbmarkierungen abrupt enden, gelingt es uns dann doch auf dem rechten Weg zu bleiben und nachdem wir den Strand erreicht haben, sind es nur noch weitere 30 Minuten, bis wir uns in direkter Nähe einer Kokosnussplantage niederlassen. Einige der Nüsse liegen vor dem Zaun, was dazu führt, das wir mit unseren Messerchen versuchen diese zu öffnen, was sich als gar nicht mal so einfach herausstellt. Gerade als ich die erste Nuss erfolgreich angebohrt habe, tauchen Arbeiter der Plantage auf, die mit gekonnten Hieben ihrer Macheten die Nüsse in Sekunden aufschlagen und uns zudem noch unaufgefordert etliche weitere bringen, ohne etwas dafür zu verlangen, was zu einem Überfluss an geöffneten Kokosnüssen führt. Außer diesen freundlichen Leuten bekommen wir so gut wie keinen Menschen zu sehen, dafür blauen Himmel, etliche Fische im glasklaren Wasser am Riff und unzählige Sandfliegen an Land, die sich über uns hermachen.
Die Waschmaschine im Hostel hat die Bezeichnung nicht wirklich verdient, Wäsche-in-kaltem-Wasser-hin-und-her-Rührer träfe es besser. Mehr macht das gute Gerät auch nicht. Selbst nach zwei Waschgängen sind manche meiner Sachen noch nicht sauber, aber zumindest riechen sie nicht mehr. Man kann eben nicht alles haben.
Am zweiten Tag geht Aufregung durch das Guesthouse. Ein Pärchen habe ein Krokodil am Hausstrand gesichtet und sei sich dessen ganz sicher. Bilder habe man leider keine machen können, aber die Locals seien informiert und würden sich darum kümmern. Das werden wir doch gleich mal überprüfen, aber als ich pünktlich zum Sonnenuntergang – die Sonne befindet sich hinter Wolken –am Strand bin, lässt sich kein Krokodil blicken. Dafür erregen die Bisse der Sandfliegen nun meine Aufmerksamkeit, denn nach 24 Stunden Inkubationszeit fangen diese mit fürchterlicher Penetranz zu jucken an. Dagegen sind die einheimischen Moskitos, deren Stiche für 15 Minuten jucken und danach nur noch Beulen sind, eine wahre Wohltat.
Nach nunmehr ununterbrochenem Sonnenschein seit meiner Ankunft auf den Andamanen erlebe ich einen Tag, der grauen Himmel und Wolken mit sich bringt. Ja das könne mal passieren sagen die Einheimischen, morgen wären die verschwunden. Also die perfekte Gelegenheit am Blog zu schreiben und andere nützliche Dinge zu erledigen. Leider liegen sie total daneben, denn nachdem es in der Nacht bereits einen ersten massiven Regenschauer gibt, hält der Regen den ganzen folgenden Tag über an. Ein wundervoller letzter Tag auf Long Island. Und selbst am Abreisetag hat sich nichts geändert, um 7 Uhr in der früh besteige ich in leichtem Schauer die Fähre, die mich innerhalb der nächsten sechs Stunden zurück nach Port Blair bringen soll. Sechs Stunden auf einem Boot, auch wenn es ein größeres ist, bei leicht unruhiger See, ein Traum für mich und meine anfänglichen Versuche, der aufkommenden Übelkeit dadurch zu begegnen, dass ich auf Deck bleibe, werden durch einsetzenden Regen zunichte gemacht. Ob es die Wirkung der Pillen, oder die angeregte Unterhaltung mit anderen Reisenden ist, jedenfalls erreiche ich Port Blair mit vollständigem Mageninhalt. Hier werde ich also meine letzte Nacht in Indien verbringen, ein letztes Mal Chana Masala und Dhal essen, bevor es weitergeht auf meiner Reise.
Ein komisches Gefühl beschleicht mich schon, als ich am Morgen des 3. Februar in der Rickshaw zum Flughafen sitze. Langsam, aber sicher heißt es Abschied nehmen von Indien, denn von Port Blair bin ich in gut zwei Stunden in Kalkutta, wo ich meinen Flieger nach Bangkok besteige. Und als die Maschine von Air Asia auf der Startbahn beschleunigt, entlang der alten ausgemusterten und leicht Rost ansetzenden Maschinen, die am Rande Spalier zum Abschied zu stehen scheinen, da ziehen noch einmal die letzten 2,5 Monate, die ich in diesem Land verbracht habe an mir vorbei. Es war ein Auf und Ab, Hochs und Tiefs, aber insgesamt eines der kulturell vielfältigsten und beeindruckendsten Länder, das ich bisher besucht habe. Was habe ich nicht geflucht und geschimpft auf meiner Reise durch Indien, aber all das verblasst vor den schillernden tiefen Eindrücken, die Indien bei mir hinterlassen hat. Begonnen beim spirituellen Varanasi, über das arabisch anmutende Rajasthan, die „liberalen“ Zonen Diu und Goa, das religiöse Hampi, ein pulsierendes Bombay und das entspannte grüne kommunistische Kerala, Auroville, die einzigartige Stadt, bis zu den traumhaften Andamanen, ganz zu schweigen von den Orten die ich nicht besuchen konnte, wie Leh und Ladakh, Kaschmir, Amritsar und Rishikesh…einfach nur Incredible India!
Hey Steffen,
da kommt man ins Träumen so auf der Terrasse sitzend, bei einer Rosé-Weinschorle und angenehmen 26 °C 🙂
Schöne Bilder wie immer und super geschrieben.