Indonesien – Bali

In großen roten Buchstaben steht es auf der Arrivalcard, die mir die freundliche Air-Asia Flugbegleiterin in die Hand drückt: Todesstrafe für Drogenschmuggler. Obwohl ich die Tatsache schätze, dass man den entsprechenden Berufsstand vorab über die Konsequenzen seiner Tätigkeit informiert, so ist es doch absurd, dies im Landeanflug auf Bali zu tun, denn dann dürfte es zu spät sein…

Nachdem ich meine 25$ Visagebühr entrichtet habe und nun berechtigt bin, 30 Tage in Indonesien zu verweilen, mache ich mich auf die Suche nach meinem Empfangskomitee. Wer mindestens fünf Nächte im The Island Hostel auf Bali bucht, bekommt neben einer einstündigen Gratismassage auch noch einen kostenfreien Airporttransfer geboten. Vor dem Flughafen wartet bereits eine ganze Horde von Fahrern, Hotelangestellten und Reiseveranstaltern, die bei jedem Ankömmling der die Arrivalhall verlässt, hoffnungsvoll ihre Schildchen in die Höhe strecken. Nachdem ich die Reihe mehrfach abgeschritten habe, steht fest, auf mich wartet niemand. Macht nichts, dann rufe ich eben im Hostel an und erinnere sie sanft an meine Ankunft. Ein öffentliches Telefon ist nicht in Sicht, also frage ich den netten jungen Mann in dunkelblauer Uniform und mit Flughafenmitarbeiterausweis um den Hals, wo ich eins finden würde. Hier wäre keins – warum sollte es auch welche geben – aber er könne mit seinem Handy im Hostel anrufen, wenn ich ihm die Unkosten in Höhe von fünf Dollar erstatte. Am liebsten möchte ich mich für diese Frechheit mit einer saftigen Ohrfeige bedanken, schenke ihm stattdessen ein nettes Lächeln und Schulterklopfen und gehe wieder nach draußen. Diesmal steht Adi dort, ein kompakter kräftiger Balinese mit einer Liste in der Hand, der mich anspricht und mir erklärt, wir würden zum Hostel fahren, wenn die anderen da seien. Der Haken daran ist, „die anderen“ kommen in den nächsten anderthalb Stunden mit diversen Flügen.

Der erste, der eintrifft ist Hans aus Holland. Ein sehr angenehmer Mensch, mit dem die restliche Zeit, die wir warten müssen, schnell vergeht. Das Hostel ist mit Abstand das Beste, was mir bis dato begegnet ist. Im großzügigen Dorm sind die bequemen Betten mit weißen Vorhängen voneinander getrennt und im Innenhof gibt es einen gepflegten Pool, nebst Sonnenliegen, blühenden Bäumen und balinesischem Schrein. Das hat Stil, ist aber für asiatische Verhältnisse mit knapp 16€ pro Nacht auch nicht gerade günstig. Das gleiche gilt für die im hauseigenen Restaurant offerierten Speisen, die eine gekonnte Symbiose aus europäischer und balinesischer Küche darstellen. Als ich meinen köstlichen Salat serviert bekomme, der mit frischen Kräutern garniert ist und ich die Oliven und den Parmesan sehe, kommen mir vor Freude fast die Tränen. Mittlerweile kann ich mich gar nicht mehr erinnern, wann ich das letzte Mal derlei Köstlichkeiten zu Gesicht bekam. Eine Pizza aus dem Steinofen rundet das Mahl ab.

Der Reisezeitenplaner auf weltreise-info.de hat es mir ja bereist mitgeteilt, der März ist nicht der beste Monat, um nach Bali zu reisen, denn dann ist dort noch Regenzeit, aber Nebensaison. Zwar ist es durchaus angenehm warm und es regnet auch nicht den ganzen Tag, aber wenn es regnet, dann richtig, dafür sind die Preise noch niedriger und es ist noch nicht überfüllt. So kommt es, dass ich mit Hans und unserem jeweiligen Personal Surftrainer für wenig Geld im hüfttiefen Wasser stehe und versuche auf mein Surfbrett zu springen, während sich über uns ein biblischer Regen ergießt, der mich hoffen lässt, irgendwo in der Nähe sei eine Arche verborgen.

Das wichtigste Utensil auf Bali ist ein ordentliches Zweirad. Dies ist die einzige Möglichkeit, halbwegs zügig und bequem durch den (Links)Verkehr zu kommen. Zwar gibt es Ampeln, an denen die Balinesen auch meist halten, aber wo diese nicht existieren, gilt das Recht des Schnelleren. Es wird überholt von Lücke zu Lücke, rechts und links von Autos und Lastwagen und man schlängelt sich an Kreuzungen aneinander vorbei. Hier existiert eine Form des Straßenanarchismus, dem die Polizei nur an einigen ausgewählten Punkten Herr werden kann. Wenn man sich erst daran gewöhnt hat, kommt eine gewisse Freude am Fahren auf, zumindest auf kürzeren Strecken. Aber zunächst brauche ich ein Moped. Anbieter gibt es genug und die freuen sich über jeden Kunden. Das anstrengende ist jedoch die Verhandlung über den Mietpreis. Obwohl mir die Preise für Scooter bekannt sind, bringt es rein gar nichts, mit diesen in die Verhandlung einzusteigen und darauf zu verweisen, dass dies die üblichen Preise seien. Denn jeder Vermieter möchte sich in dem Erfolg sonnen, seinen Kunden nach oben gehandelt zu haben. Nach zwei Anmietungsversuchen, habe ich das System durchschaut und setze entsprechend niedriger an. Und siehe da, es funktioniert, ich bekomme einen schönen neuen Roller, Marke Honda Vario mit 125ccm für weniger als drei Euro pro Tag. Den Tank füllt mir der obligatorische Tankwart an der Tankstelle für einen weiteren Euro und nun kann ich mich auf die Suche nach einem geeigneten Apartment machen.

Nach einiger Recherche im Internet habe ich mir 1-2 Angebote herausgesucht, bin aber nach der ersten Besichtigung schon vollends überzeugt. Ein 1-Raum-Appartment, so gut wie neu, mit großem bequemen Bett, einflammigen Gaskocher, Kühlschrank, TV und großer Glasfront, vor der sich der Gemeinschaftspool befindet, sowie ein „Tempel“ auf dem Dach sind hervorragende Argumente. Nach einem kostenintensiven Besuch im Bintang-Supermarkt, der auch westliche Produkte führt, der französischen Bäckerei, es gibt dort Sauerteigbrot aus Roggenmehl und dem lokalen Markt, der eine riesige Auswahl an frischem – mir teilweise unbekannten – Obst und Gemüse bietet, sind Kühlschrank und Vorratskammer prall gefüllt. Nach Monaten frisches, selbstgekochtes Essen ist eine Wohltat, auch wenn die balinesische Küche durchaus mit Leckereien zum Spottpreis – eine Mahlzeit im lokalen Restaurant (Warung) kostet 1-2€, manchmal inklusive der Getränke – aufwarten kann. Monetär gesehen ist es also unsinnig selbst zu kochen, aber darauf habe ich mich so lange gefreut.

Und auch sportlich kann ich mich endlich mal wieder angemessen betätigen, da Niko (Deutsch-Indonesier) auf Bali sein Gym (www.synergyjiujitsu.com) gleich um die Ecke hat. Außer Essen und Sport passiert nicht viel. Ab und an fahre ich mal zum Strand, der zwar ein paar nette Beachbars, aber ansonsten nur Wellen für Surfer zu bieten hat. Insgesamt sind die touristischen Regionen wenig verlockend. Der typische australische Surfer hat lange blonde Haare, wirkt von hinten feminin und überrascht, wenn er sich umdreht mit einem ausgeprägten Oberlippenbart. Gerne werden auch funky Basecaps und Tanktops mit Biermarkenprint getragen, während man sich in Kuta zu schlechter Musik mal so richtig voll laufen lässt. Gott sei Dank war ich weise und mein Heim liegt abseits der belebten Gegenden – ca. 200m vom lokalen Gefängnis – und so bleibt mir nicht nur das australische Elend erspart, nein auch Begegnungen mit den Straßenverkäufern, die Viagra, Ephedrin und allerlei illegale Substanzen anbieten, sowie den jungen Damen – mitunter auch im Herrenkörper -, die nach Sonnenuntergang wie Pilze aus dem Boden schießen und dann jeden männlichen Tourist „massieren“ möchten, werden so vermieden.

Stattdessen kann ich mich ganz in Ruhe dem ausgiebigen Müßiggang widmen, der ab und an von seichten Klängen balinesischer Musik begleitet wird, wenn mal wieder eine der unzähligen Zeremonien in der Nachbarschaft stattfindet, die fester Bestandteil der balinesischen Kultur sind. Spiritualität und Religion haben in der balinesischen Kultur einen hohen Stellenwert, an fast jeder Ecke findet sich ein Schrein, oder Tempel, mitunter einfach am Straßenrand, an denen jeden Morgen kleine Opferschälchen aus Blättern mit etwas Reis, Blüten und Räucherstäbchen geopfert werden.

Auf der Suche nach einem seriösen Devisenhändler fahre ich die Straßen auf und ab und vergleiche die aktuellen $-Wechselkurse. 9050, 9100, 9130, 9499..ha, da hätte ich meinen Geldwechsler doch gefunden. Fix den Scooter abgestellt und schon beginnen zwei schmierige Gestalten, um mich zu werben. „Mein Freund“ nennen sie mich und lotsen mich in ihr „Büro“. Das Büro befindet sich in einem Hinterhof und besteht aus einem Tresen, der am Eingang einer offenen Garage steht. Obwohl mir in diesem Moment bereits bewusst ist, dass hier vermutlich einige Deals, aber bestimmt keine seriösen Währungskäufe abgeschlossen werden, möchte ich mir das Spektakel nicht entgehen lassen. Nachdem man ein wenig über die Stückelung meiner Dollarnoten gemäkelt und mir mitgeteilt hat, dass es für die 1$-Noten einen schlechteren Kurs geben würde beginnt das große Geldzählen. Die per Seniorentaschenrechner (große Tasten und riesiges Display) ermittelte Summe in Rupiahs beträgt 945.000. Der im Zählen von Geldscheinen überdurchschnittlich begabte Kollege zählt auch sogleich  vor meinen Augen die errechnete Summe mittels gebrauchter 20.000-Rupiahs-Noten ab. Wäre es nicht einfacher bei dieser Summe 50.000er oder 100.000 zu nehmen? Aber gut, wenn hier Geld gewaschen werden soll – was den überdurchschnittlich guten Wechselkurs erklären würde -, werde ich dem Reinigungsprozess nicht im Wege stehen. Als er fertig ist mit Zählen legt er mir den Stapel auf den Tresen und muss überrascht feststellen, dass ich geldzähltechnisch, was Geschwindigkeit und Genauigkeit angeht, mindestens gewachsen, wenn nicht sogar überlegen bin, denn ich komme auf glatte 650.000 Rupiahs, was ich in einem zweiten Zählvorgang noch mal verifiziere. „Komisch!“, sagen die beiden Schlingel und, „Das kann doch gar nicht sein!“. Also zählt er noch mal, wobei seine Hände aus meinem Sichtbereich und hinter den Schalter ab- und dann wieder auftauchen. Als er fertig ist, hält er, soweit ich mitgezählt habe 970.000 Rupiahs in den Händen. Nun wird’s lustig und bevor ich nachzählen darf, nimmt er den Stapel noch mal kurz in die Hände und ich komme wieder bei zweimaligen Zählen auf 650. Das geht so noch 2-3 Mal hin und her, bis ich mit den 650 in der Hand vorschlage, er kann mir doch den fehlenden Betrag von knapp 300.000 einfach geben, dann wären wir stimmig. Das möchte er nun auf gar keinen Fall und so nehme ich meine $ und ziehe von dannen.

Gerne erinnere ich mich auch an die Nacht, als ich gegen 2 Uhr morgens wach werde, weil ich das Gefühl hatte, da ist einer der unzähligen kleinen Geckos, die überall an den Wänden kleben, auf meinem Bett gelandet, um dann festzustellen, dass es sich um Wassertropfen handelt. Das Bett lässt sich nicht wirklich verschieben, aber zumindest kann ich am nächsten Morgen Made (den Property Manager) anrufen, welcher die Reparatur veranlasst. Wobei der Begriff „Reparatur“ etwas hoch gegriffen ist, wie ich feststelle, als man mir eine Winkelschiene an die Decke schraubt, um damit das Wasser aufzufangen und seitlich abzuleiten, wo es dann in einem improvisierten Colaflaschentrichter aufgefangen wird und per Schlauch in das Waschbecken abfließen soll. Andererseits ist mir auch bewusst, dass hier niemand wegen „ein paar Wassertropfen“ den über mir befindlichen Tempelboden aus Zement aufstemmt, um die Ursache zu suchen. Beeindruckt von den zur Schau gestellten Improvisationstalenten, kann ich es kaum erwarten, dass es wieder regnet und ich brauche auch nicht lange zu warten. Bereits am gleichen Abend, kann ich die Konstruktion unter realen Bedingungen begutachten und stelle Folgendes fest: 1. Das Bett bleibt trocken. 2. Dafür tropft es jetzt an zwei anderen Stellen entlang der Schiene, wo sie angebohrt wurde. 3. Durch den Flaschentrichter rinnt nicht ein einziger Tropfen Wasser (das hat sich auch bis zu meiner Abreise nicht geändert). Aber wenigstens kann ich an den beiden Stellen Schüssel und Eimer platzieren.

Kurz vor dem 23. März, fangen einige Balinesen und Ausländer hektisch an die Insel zu verlassen. Was steht uns bevor? Nyepi, day of silence. Dafür gibt es ein paar einfache Grundregeln, die auch der Nicht-Gläubige eizuhalten hat, was von Freiwilligen überwacht wird. Zu diesen gehören, kein Feuer/Licht, kein Lärm, keine Arbeit, kein Reisen. Dies führt dazu, dass man faktisch gezwungen ist, an diesem Tag zu Hause zu bleiben, aber dabei so zu tun, als wäre man nicht da. Da es nach einem Tag auch schon vorbei ist, kann ich die Aufregung die im Vorfeld gemacht wurde nicht ganz verstehen, aber gut. Interessant ist auch der Vorabend des Nyepih, an dem die Balinesen allerlei Figuren aus Pappmaché unter musikalischer Begleitung duruch die Straßen tragen. Diese Figuren stellen „scheußliche“ Geister und Dämonen dar, die nach Abschluss der Zeremonie verbrannt werden, damit „sie sich in Rauch auflösen und durch den Wind zu Nachbarinseln gelangen, wo sie dann ihr Unwesen treiben können.“

Wäre nicht noch mein Freund Maik für ein paar Tage vorbeigekommen, ich glaube, ich hätte nichts mehr gemacht auf der Insel. Aber ihm habe ich es zu verdanken, dass ich – neben einer mehrstündigen Scootertour durch das balinesische Verkehrschaos, zu einem „Traumstrand“, der sich dann lediglich als ein weiterer der eher unansehnlichen Surferstrände entpuppte – zu der kurz vor Bali liegenden Insel Lembongan aufgebrochen bin. Obwohl wir nur eine Nacht dort verweilten, haben wir es geschafft, vier Tauchgänge zu absolvieren, von welchem mir besonders derjenige in Erinnerung geblieben ist, bei dem 4-5m breite Mantarochen beinahe über unsere Köpfe hinwegschwebten. Rochen an sich sind schon äußerst elegante Tiere, aber in dieser Dimension und Perspektive nochmal etwas Außergewöhnliches.

Von den gut zwei Monaten, die ich insgesamt in Indonesien war, habe ich knappe zwei Wochen in einem „Vipassana Meditation Retreat“ nahe der Hauptstadt Jakarta verbracht, aber davon werde ich ausführlich in einem separat berichten. Und so ziehen die Tage ins Land, die Energie und Reiselust kommen langsam zurück und ich freue mich richtig auf mein nächstes Ziel Argentinien. Aber noch habe ich das Land nicht verlassen.

Wir haben den 25. April und ich gehe „morgens“ um 11 Uhr aus dem Haus, um zum Supermarkt zu fahren, als ich feststelle, mein Scooter steht nicht mehr da, wo ich ihn geparkt habe. Also mal eben fix links und rechts kurz gesucht, aber ohne Resultat. Dies zwingt zur Annahme: Diebstahl. Schweren Herzens rufe ich den Besitzer an, der sich sehr über meinen Anruf freut, da er annimmt, ich würde das Leihverhältnis verlängern wollen. Als er verstanden hat, worum es geht, ist er nicht mehr ganz so happy und das Theater beginnt.

Was sich hinter dem hier scheinbar so harmlosen Begriff „Theater“ verbirgt, soll der interessierte Leser umgehend erfahren. Zunächst kommt Jack (eigentlich Jakob, der Vermieter) vorbei und inspiziert den Tatort. Als er den Scooter auch nicht finden kann, teilt er mir mit, wir würden nun zu jemandem aus seiner Familie fahren, der Polizist sei. So gelangen wir zu einem Häuschen der Verkehrspolizei, wo nach kurzer Wartezeit der entfernte Verwandte auftaucht. Der weiß nun ganz genau was zu tun ist. Es müssen sämtliche Dokumente (Brief, Zulassung etc.) beschafft und dann zur zuständigen Polizeidienststelle gefahren werden. Ich bin verblüfft! Ein derartiges Vorgehen hätte ich nun wirklich nicht erwartet. Nächste Station ist also Jack’s Haus, wo wir die benötigten Dokumente einsammeln, um danach zum ewig weit entfernten Kommissariat zu fahren, welches wir nach nur einer Stunde Fahrt erreichen. Hier sitzen bereits fünf andere Leute und drei Beamte im Anzeigenaufnahmeraum, was natürlich erklärt, warum es ungefähr 3,5 Stunden dauert, bis wir an der Reihe sind. Brav erzähle ich, was ich weiß, wobei Jack hier und da als Übersetzer einspringt. Nachdem die Anzeige aufgenommen ist, teilt man mir mit, dass ich nun „vernommen“ werden müsse, was ca. 2-3 Stunden in Anspruch nehmen würde. Nur schwer kann ich mich des Verlangens in Lauthalses Lachen auszubrechen erwehren. Was bitte habe ich denn dann eben dem guten Mann in seine Schreibmaschine erzählt? Das Problem bei der Vernehmung ist, dass der Beamte kein Englisch spricht und einen kompetenten Übersetzer gibt es weit und breit nicht. Darum solle ich am nächsten Tag wiederkommen. Jack hat die glorreiche Idee, dass er ja am nächsten Tag zu der Vernehmung gehen könne. Das finden sowohl die Beamten, als auch ich gut, da ich nicht die geringste Lust verspüre, die Ineffizienz der Polizei noch einmal zu erleben. Zudem darf ich mir noch Gedanken machen, wo ich die 1.500$ her bekomme, die ich laut Mietvertrag bei Abhandenkommen des Scooters dem Eigentümer schulde. Meinen Vorschlag ihm einen neuen Scooter zu kaufen findet er auch gut und so machen wir uns auf den Weg zum Händler. Doch anscheinend gehen unsere Vorstellungen von neu weit auseinander. Während ich neu als „anderen, gebrauchten, im gleichen Alter“ definiere, ist für ihn neu=neu. Und da wird auch direkt im Showroom zum Topmodell durchmarschiert, was es für 1.700$  zu erwerben gibt. Ganz schön frech der kleine Balinese und natürlich gibt es keinen „neuen“ Scooter. Damit der Tag keine völlige Katastrophe ist, genehmige ich mir abends Pizza – Size: Familiy – und Donuts.

Ich verbringe ich den nächsten Morgen „guter Dinge“ am Pool, was bleibt mir auch anderes übrig, als ich gegen Mittag zufällig auf mein Telefon schaue und etliche Anrufe in Abwesenheit vorfinde. Als ich zurückrufe, meldet sich Inspektor Agung vom Kommissariat, der mich gerne zur Vernehmung hätte. An dieser Stelle bewundere ich die konsistente und verlässliche Herangehensweise der Polizei an den Fall und teile ihm mit, dass ich ohne Transportmittel sei und öffentliche Verkehrsmittel quasi nicht existieren würden. Das lässt er nicht gelten und entsendet Jack, der mich abholt und zur Polizei bringt. Nach nur vier Stunden bin ich wieder zu Hause und der Aufwand hat sich riesig gelohnt, denn ich habe (erneut) zu Protokoll gegeben, wann und wo ich es abgestellt, es zuletzt gesehen und den Diebstahl bemerkt habe. Die gute Nachricht des Tages ist, das Jack festgestellt hat, dass noch eine gültige Versicherungspolice für das Moped existiert. Dies ist bei weitem nicht üblich und auch nur der Fall, wenn der Erwerb finanziert wird. Dann verlangt die Bank dieses und in meinem Fall konnte Jack das Darlehen vorzeitig zurückzahlen, aber die Versicherung läuft noch. Er verspricht mir dort anzufragen, wie es denn um den Schadensersatz bestellt wäre.

Mittlerweile haben wir den 27. April und gegen 22.40 Uhr geht mein Flieger.  Gerne hätte ich meinen letzten Tag mit angenehmen Sachen verbracht, aber gegen 8.30 Uhr steht Jack auf der Matte und wir fahren wieder zum Kommissariat. Als wir um 9.30 Uhr dort ankommen, sind alle Mitarbeiter im Trainingsanzug, denn heute ist „Sporttag“. Der sportliche Teil ist bereits vorbei, aber vor dem Eingang wird nun gemeinschaftlich gesungen und man lässt uns bis um 10 Uhr warten, bevor wir zu einem Kommissar dürfen, der uns weitere der circa 20 für die Versicherung benötigten Dokumente ausstellt. Lediglich die Aussicht auf eine Erstattung von 80-85% des Neupreises bewegt mich, nicht vorzeitig wieder abzureisen. Beim Inspektor treten ungeahnte Probleme auf, da ich meine Religion angeben soll, um bei Gott schwören zu können, dass ich die Wahrheit gesagt hätte. Ich bin doch aber Atheist und mit Gott habe ich es nicht so, erkläre ich, aber ich könne so schwören. Diese Situation erfordert eine längere Beratung zwischen dem Inspektor, der nebenbei auch wissen möchte, wie wir dass denn in Deutschland handhaben würden, wenn wir nicht auf Gott schwören würden, seinen Mitarbeitern und eventuellen Vorgesetzten, bevor mir gestattet wird „einfach so zu schwören“. Am Schluss haben wir fast alle Dokumente zusammen, welche die Versicherung benötigt, die Polizei möchte lediglich gerne noch einen Monat ermitteln, bevor sie ihren Abschlussbericht erstellt. Ich dachte Jack hätte auch das „geregelt“, aber die Ermittlungen nach einem Tag einzustellen scheint etwas zu offensichtlich zu sein, selbst in Bali. Zum Zeitpunkt des Schreibens, es ist der 31. August 2012, ist (lt. Jack) immer noch kein Geld von der Versicherung überwiesen worden.

Und so sitze ich am Abend ein wenig schwermütig im Taxi, fahre auf dem Weg zum Flughafen durch die Straßen, vorbei an den Orten, die ich in den letzten Wochen täglich passiert habe und mir nun ein wenig wie mein zuhause vorkommen und denke an die Menschen, die den Aufenthalt in Bali so schön und unvergesslich gemacht haben..Niko, Angie, Steffi, Enrique, Made and Simen….I hope to see you again one day!

Eine letzte Diskussion, bevor ich das Land verlassen kann, muss ich am Schalter von Qatar Airways führen, wo mir engagierte und penible Mitarbeiter der Fluggesellschaft mitteilen, ich würde ein Rückflugticket für die Einreise nach Argentinien benötigen und ich erst nach Unterzeichnung einer Verzichtserklärung bzgl. etwaiger Regressansprüche gegenüber der Airline meinen Boardingpass bekomme.

Doch nun heißt es zunächst: Good bye Asia – Welcome America Latina!

About Steffen

Born in 1980 in good old Magdeburg in the GDR (German Democratic Republic). Stayed there for a while, than went to Cuba for a few months. Afterwards finished my studies of business and computer science and started to work in a big consultant enterprise. Quit this job for obvious reasons. Due to the lack of goodwill at the ZVS I started to work as a freelancer in the sector of SAP consulting in Cologne. Planned to do this only for a few months, now nearly passed by two years. Well, time to move on...
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