Ulan Bator – die Zweite und Peking

Es ist Freitag der 23. September 2011 und ich werde ungewöhnlich früh gegen 7 Uhr wach. Zwar öffnet die Konsularabteilung der deutschen Botschaft in Ulan Bator erst um 9 Uhr, doch ich bin neugierig, wissbegierig und aufgeregt wie ein Dreijähriger vor Weihnachten, was denn nun passieren wird. Um 8:52 Uhr erreiche ich die noch verschlossene Tür der Botschaft und reihe mich hinter zwei bereits wartenden Mongolinnen ein.

Punkt neun öffnet sich diese und als ich am Einlass mein Ausweisdokument vorlegen soll, kann ich nur mit einer meiner laminierten Passkopien dienen. Die Dame hinter der dicken Glasscheibe betrachtet diese skeptisch, bevor sie mich fragt, ob ich ein chinesisches und ein russisches Visum hätte. Ich bejahe beides und sie merkt an, dass vor einigen Tagen ein Pass mit derartigen Visa in der Post gewesen wäre und sie diesen bereits ihrem Chef gegeben hätte. Einerseits schöpfe ich neuen Mut, doch andererseits wundere ich mich, dass sie meine anderen Visa nicht erwähnt hat. Sie winkt mich durch und weist in Richtung Schalter, wo ich eine Kabine betrete und vor einem mit einem Rollo verschlossenem Fenster warte. Die wenigen Minuten, die ich dort verbringe ziehen sich dahin, bis das Rollo geöffnet wird und eine ältere deutsche Frau mich mit einem Lächeln und einem Pass in der Hand begrüßt. „Wir haben uns schon gefragt, wann Sie hier auftauchen. Laut Ihrem Einreistempel vom 2. September, hätten Sie spätestens am 30. September hier sein müssen.“, sagt sie, lacht und schiebt meinen Pass durch die Sicherheitsschublade. Ich könnte Sie küssen vor Freude, doch trennt uns das Sicherheitsglas und auch die Frau am Einlass ist vor meinen Gefühlsausbrüchen geschützt. Mit dem mir wohl breitest möglichen Grinsen im Gesicht verlasse ich die Deutsche Botschaft und schlendere glücklich zurück zum Hostel.

Den Rest des Tages verbringe ich mit Kommunikation, Blog schreiben und einem erneuten Ausflug zum Schwarzmarkt, ohne dort jedoch etwas zu kaufen. Eigentlich wollen wir heut Abend noch ausgehen, doch John liegt krank mit Durchfall im Bett und wir haben bis Mitternacht DVD’s geschaut, so dass ich zu müde bin, um mich noch aufzuraffen. Die beiden Australier und Sandra hingegen sind voller Energie und brechen noch auf. Irgendwann mitten in der Nacht wird die Tür zu unserem Zimmer lautstark geöffnet und eine wankende Gestalt kämpft mit ihrer Kleidung, fällt dabei hin, steht wieder auf und schafft es schließlich in das Bett über mit zu klettern. Alex ist zu also wieder zu Hause und allem Anschein nach stark betrunken. Ich stehe auf schließe die Tür, so dass es wieder dunkel ist und versuche wieder zu schlafen, was sich angesichts des Abnormen Schnarchens von Alex schier unmöglich ist. Als er nach einer guten halben Stunde verstummt, schlummere ich ein, um nur gefühlte 5 Minuten später von einem ähnlichen Szenario geweckt zu werden. Die Tür geht laut auf, diesmal sogar wieder zu, jemand kämpft mit seinen Sachen und Taylor krabbelt in sein Bett. Auch er ist nun sicher wieder im Hostel und es ist leise, so dass ich hoffe gleich wieder in meinen Schlaf zu finden. Doch weit gefehlt, nur zwei Minuten später, versucht Taylor aus seinem Bett zu steigen, fällt von der obersten Stufe der Leiter auf den Boden, bleibt dort kurz liegen, springt auf, braucht Ewigkeiten um sich seine Hose anzuziehen und rennt aus dem Zimmer, wobei dies begleitet wird durch ein intensives Würgen und das Geräusch von auf dem Boden landenden Erbrochenem. 20 Minuten später torkelt er wieder in sein Bett, ich schließe wieder die Tür, schlafe ein und werde kurz nach 7 Uhr von Taylors Telefon geweckt, er allerdings nicht. Ich hatte schon bessere Nächte.

Gegen Mittag gehe ich zum International Ticket Office, einem im Verhältnis zum Titel recht imposanten Gebäude, dessen inneres eher aus Hallen, denn aus Räumen besteht, die stattlichen Menschenmengen Platz zum Warten bieten würden. Allerdings sind nur drei Personen, mich eingerechnet dort, die warten und von den 10 vorhandenen Schaltern ist nur einer besetzt. Dort erwerbe ich für 51.000 Turuig (ca. 30€) mein Zugticket für den folgenden Tag bis nach Erlian, einem chinesischen Grenzort, von dem aus es per Bus nach Peking weitergehen soll. Den Rest des Tages und verbringe ich mit Spaziergängen, Nahrungsaufnahme und dem Computer.

Auf Empfehlung meines alten Schulfreundes Sascha, der mittlerweile zu einem exzellenten Koch avanciert ist, suche ich am Sonntag das Hotel Kempinski in Ulan Bator auf. Ein Freund von ihm ist der dortige Küchenchef und ich bin gespannt was mich erwartet. Auf mein Verlangen hin, den Küchenchef zu sprechen, bricht an der Rezeption des Kempinskis Betriebsamkeit aus und ich werde in eines der beiden dortigen Restaurants gebeten, wo Carsten (executive chief of kitchen) am Tisch sitzt und mich verwundert betrachtet. Wer ich sei und was ich denn wolle, fragt er mich. Ich sage brav mein Sprüchlein auf und schiele aus den Augenwinkeln auf den üppig um mich herum aufgebauten Brunch, der mich anlächelt. Schließlich setzen wir uns, trinken Kaffee und ich erfahre, dass Sascha und Carsten gemeinsam ihre Karriere im Schloss Wernigerode begannen, er die letzten drei Jahre in Südafrika verbracht hat und der Brunch ungefähr 22€ kostet. Bei meinem gesetzten Tagesbudget von 30€ ist das eindeutig zu viel für eine Mahlzeit. Alles in allem war es ein sehr interessantes Gespräch und der Kaffee ging aufs Haus.

Um 19 Uhr ist es schließlich soweit, ich verabschiede mich von John, Sandra, Alex und Taylor und gehe mit zwei Amerikanern, die das gleiche Ziel haben wie ich, durch das bereits nächtliche Ulan Bator zum Bahnhof, wo wir den Zug bereits abfahrbereit vorfinden und unsere Waggons besteigen.

Es ist nun 20 Uhr, das Feuer im Samowar glimmt vor sich hin und unser Zug setzt sich pünktlich in Bewegung. Ich teile mein Abteil mit einem älteren mongolischen Ehepaar und einem mongolischen Studenten. Dieser kann ein wenig Englisch und als das Ehepaar bemerkt, dass ich eines rudimentären Russischen mächtig bin, werde ich mit Fragen überflutet. Wie alt ich sei, wie ich heiße, wo ich herkomme, was ich mache, wohin ich reise, meine Eltern, ob ich verheiratet sei, Kinder habe und und und… Das was nach einer lockeren fließenden Unterhaltung klingt ist ein schwerer und harter Kampf mit meinen sprachlichen Defiziten. Nun erzählen auch meine älteren Mitfahrer von sich und ich erfahre, dass beide lange Zeit in Russland waren, sie Ingenieurin ist, die was mit Pelz- und Ledertechnologie zu tun hatte und er Offizier war mit einem Dienstgrad, den er lachend wie folgt beschreibt:“deutsch: Sturmbannführer“. Ich erspare mir, ihn darüber aufzuklären, dass dieser Dienstgrad seit geraumer Zeit in Deutschland obsolet ist. Gegen 22 Uhr werden die oberen Betten in unserem 4-Mann-Abteil ausgeklappt und wir gehen geschlossen zu Bett.

Gegen 9 Uhr erreichen wir die mongolische Grenze, deren Übertritt recht unspektakulär, aber zeitaufwändig ist und zwei Stunden später dürfen wir unseren Waggon an der Grenzstation Erlian in China verlassen. Vor jedem Waggon ist ein unbewaffneter chinesischer Uniformierter postiert, der darauf achtet, dass auch niemand unerlaubt den Waggon verlässt. Als wir schließlich an der Reihe sind, heißt es auf dem Bahnsteig aufstellen in Dreierreihen, bis auf ein „Go!“ der Beamten alle anfangen die Passkontrollstelle zu stürmen. Dort zeigen sich erste chinesische Züge, ein Anstellen in Reihen ist scheinbar unbekannt und wenn sich eine Schlange an einer Tür bildet, dann geht man einfach dran vorbei und drängelt sich von der Seite durch die Tür. Scheinbar funktioniert auch dies. Erlian unterscheidet sich bereits deutlich von der Mongolei, insbesondere durch intakte Straßen und eine redundante Vielzahl von Einkaufsmöglichkeiten. Wie ich jetzt erfahre, hat meine Fahrgemeinschaft bereits telefonisch ein Busticket für mich mit reserviert und wir müssen nun eilen um dies zu holen. Dies hat den Vorteil, dass ich 2-4 Stunden in Erlian spare, da die frühen Busse schnell vergriffen sind, allerdings den Nachteil, dass ich gegen 3 Uhr nachts in Peking ankommen werde. In der Wartehalle des Busbahnhofs treffe ich die beiden Amis wieder, die Bustickets für den 16:30 Uhr Bus bekommen haben. Kurz vor2 Uhr besteige ich mit meiner Fahrgemeinschaft einen sogenannten Sleeper-Bus, der im Inneren keine Sitze, sondern Doppelstockpritschen hat und sich durch eine unangenehme Enge auszeichnet. Also ab ins Bett, Platz für Schuhe und etwaiges Handgepäck ist bei der Konstruktion des Vehikels nicht berücksichtig worden, so dass es noch enger wird auf meiner Pritsche. Doch tatsächlich fängt am 27.09.2011 um 3:19 Uhr im Bus leise Musik an zu spielen und nach und nach erwachen die Insassen. Wir halten weit im Süden der Stadt und Taxis sind weit und breit nicht zu sehen. Vorausschauend habe ich die Adresse meines Hostels in Chinesisch und Latein abfotografiert, so dass meine Mitfahrer diese nun den freiberuflichen Taxifahrern, die sich um die Fahrgäste bemühen, zeigen und schließlich jemanden finden, der sie zu kennen scheint, bevor ich mich herzlich und dankbar von ihnen verabschiede.

Der Kollege und sein altersschwaches Fahrzeug fahren mit mir den ersten Kilometer entgegengesetzt in eine Einbahnstraße und dann über etliche Schnellstraßen, bis wir irgendwann abfahren, einige Kreuzungen passieren und er schließlich vor einem Gebäude auf dies zeigend hält. Beinahe wäre ich drauf reingefallen, jedoch lässt mich die große rote Leuchtschrift auf dem Dach, die da lautet „Beijing Children Hospital“ misstrauisch werden und ich schüttele den Kopf, zaubere die Adresse erneut hervor und bestehe drauf, dass wir weiterfahren. Er fügt sich und so finden wir kurz nach 4 Uhr tatsächlich das Hostel, versteckt in einer kleinen Gasse. Allerdings öffnet niemand auf mein Klingeln und Klopfen, auch nicht um 4:30 Uhr, nicht um 5 Uhr, nicht um 5:30 Uhr und nicht um 6 Uhr. Man kann nicht sagen ich hätte es nicht probiert. Dafür bekomme ich mit, wie die Hutong (Gasse) zu Leben erwacht, was sich vor allem dadurch äußert, dass mehr und mehr Chinesen dort auftauchen, die aus ungeahnten Tiefen ihrer Atemorgane ungeahnte Mengen von Schleim und anderen Köperabsonderungen in ungeahnter Lautstärke hervorholen, um diese auf den Boden zu spucken. Das nenne ich dich mal ein herzliches Willkommen. Kurz nach 6 Uhr öffnet sich schließlich die Tür und ich kann einchecken. Das Innere des Hostels überrascht. Scheinbar wurde der ehemalige Innenhof überdacht und finde ich mich in einer Halle wieder, die begrenzt wird, durch traditionelle chinesische Bauten. Mittlerweile bin ich auch nicht mehr müde, schließlich habe ich 13 Stunden in einem Schlaf-Bus verbracht und den Sonnenaufgang in Peking erlebt. So verzichte ich auf den Schlaf und mache mich daran, meine Erlebnisse in der Mongolei für Familie und Freunde aufzubereiten. Ein paar Stunden später, mache ich mich auf den Weg zum Beihei-Park, in der Hoffnung dort eine kleine grüne Oase vorzufinden. Und in der Tat, erwarten mich dort einige historische Gebäude, mit kleinen Teichen und nur „wenigen“ Menschen. Denn wie ich nach kurzer Zeit bemerke, habe ich den Park anscheinend durch den Hintereingang betreten, im vorderen, wesentlich größeren Teil hingegen, wimmelt es nur so von Leuten. Ich schaue mir noch ein paar von den Tempeln an, die sich im Park befinden, bevor ich zum Tienanmen-Platz schlendere, der mehr als monumentalen Charakter hat und in Vorbereitung auf den Nationalfeiertag zum 62. Jahrestags der VR China reichlich geschmückt und besucht ist und mir den Eingang zur verbotenen Stadt anschaue. Weiter geht es dort nicht, da Tickets nur bis 16 Uhr verkauft werden und ich zehn Minuten zu spät bin.

Zurück im Hostel, stelle ich freudig fest, dass mein norwegischer Freund Hakon, der eine ähnliche Reise macht wie ich, wider Erwarten auch schon in Peking ist und wir einigen uns auf ein gemeinsames Bier in seinem Hostel. Aus dem Bier wird, ein zweites, drittes, viertes und es kommen Spirituosen hinzu, so dass das halbe Hostel am Dienstagabend aufbricht auf der Suche nach einem Club. Das erste Mal Ausgehen seit knapp anderthalb Monaten endet stark alkoholisiert, da Bier und Gin Tonic nur 1,20€ kosten in meinem Bett. Demzufolge beginnt der Mittwoch auch erst nach dem Mittag und hat außer Essen nicht viel zu bieten. Ich versuche noch aus meinem Hostel heraus die Weiterfahrt nach Hangzhou, der nächsten Station meiner Reise zu organisieren, was jedoch an der Kombination aus Nationalfeiertag in China und mangelnden Englischkenntnissen der Damen im Hostel scheitert. Dazu muss man wissen, dass jedes Jahr am 1.10. ein Fünftel der Weltbevölkerung in den Urlaub geht, denn dann beginnt der einwöchige Urlaub, anlässlich des Nationalfeiertags und alle Welt, das heißt 20% der Weltbevölkerung, fährt dann kreuz und quer durchs Land insbesondere nach Peking, Xian und Hangzhou. Und die Dame an der Rezeption hat anscheinend nicht verstanden, dass ich ein Zugticket frühestens für den 30.9., aber auch für jedes nächstmögliche Folgedatum haben wollte. Jedenfalls teilt, sie mir nach einem kurzen Telefonat mit, es gäbe keine Tickets. Auf meine Nachfrage, nach einem anderen Zug, oder einem anderen Datum erhalte ich immer die gleiche Antwort „No ticket!“.

Da ich seit dem Verlust meines Telefons nicht mehr im Besitz eines Weckers bin, muss ich mich auf meine innere Uhr verlassen, um rechtzeitig wach zu werden. Die funktioniert bisweilen recht gut und so erwache ich am Donnerstag um kurz nach 7 Uhr und begebe mich in die Dusche. Heute ist großer Rasiertag, denn mittlerweile ist das Haar in meinem Gesicht so üppig, dass es fast als Maskierung durchgehen könnte und stört beim Essen. Das Entfernen des Bartes nimmt sagenhafte 30-40 Minuten in Anspruch, so dass ich kurz nach 8 Uhr das Hostel verlasse, Richtung Busbahnhof, denn dort soll ein Sonderbus direkt zur Großen Mauer fahren. Bei meinem Besuch bei Hakon habe ich bereits erste Erfahrungen mit der Pekinger U-Bahn sammeln können, die für 2 Yuan (1€ = 8,6Y) schnell und zuverlässig transportiert. Was mich allerdings morgens dort erwartet ist alles andere als lustig, Menschenmengen, die gleichzeitig in und aus den Bahnen drängen. Am Busbahnhof angekommen, stelle ich fest, dass ich fünf Minuten zu spät bin und fahre zu Hakons Hostel, da dieser heute die Ming-Gräber besichtigen wollte. Allerdings ist er kurz nach 9 Uhr bereits auf und davon, recht untypisch für ihn, und so sitze ich ein wenig und unterhalte mich mit Daniel dem Besitzer des Hostels und seines Zeichens Kampfkünstler. Daniel kommt aus Taiwan, hat in den USA studiert und nun das Fly by Knight Hostel in Peking eröffnet, in welchem ich mich selbst als Besucher wegen der Atmosphäre und des Ambiente willkommen und wohl fühle. Als ich ihm meine Geschichte mit dem Zugticket erzähle, schüttelt er ungläubig den Kopf und bittet Tina, seine Kollegin, das zu prüfen. Nur zehn Minuten später habe ich ein Ticket für den Schnellzug Beijing-Hangzhou am Montag, 3.10.2011 um 11 Uhr. Na bitte.

Frohen Mutes fahre ich zum Tianmen-Platz und schaffe es diesmal in die verbotene Stadt, zusammen mit einer Million anderen Menschen. Die verbotene Stadt an sich ist schon beeindruckend, allerdings wird es schnell langweilig, wenn man den dritten Thronsaal und siebten Palast von Emperor XY besichtigt, was auch an dem geringen Detaillierungsgrad meiner Kenntnis der chinesischen Geschichte liegen mag. Ich treffe mich noch mit Hakon zum Abendessen, wobei ich erneut feststelle dass chinesisches Essen in China überaus lecker ist. Ganz im Gegensatz zu dem, was einem in Deutschland als Chinesisch Küche verkauft wird. Ente süß-sauer und Eierreis mit Huhn gibt es gar nicht. Ganz im Gegensatz zu den recht simpel komponierten Gerichten die es bei uns gibt, nutzt die chinesische Küche in ihrem Heimatland – neben tierischen Körperteilen, die bei uns nicht mal der Hund bekommt – eine Vielzahl von Gewürzen und Kräutern.

Am Freitag schaffe ich es dank der Hilfe des Fly by Knight Hostels, wo man mir die Busverbindungen zum Mutanyu-Teil der Großen Mauer auf Englisch und Chinesisch aufgeschrieben hat, den richtigen Bus zu erwischen und setze mich neben eine ältere chinesische Dame, nebenbei bin ich auch der einzige Nichtasiate im Bus, der ich meinen Zettel zeige und die daraufhin verständnisvoll und in die Ferne zeigt. Irgendwann, an einer Haltestelle, an der der Bus hält, gibt sie mir zu verstehen, hier solle ich aussteigen, was ich auch tue, da ich weiß, dass ich den Bus wechseln muss. Allerding stehe ich nun direkt am Highway und laut Schild hält hier keine andere Linie. Zum Glück kommt nur wenige Minuten später ein weiterer Bus, in den ich steige und wo ich auf Aaron aus den USA treffe, der auch zur Mauer will. Dort angekommen, winden wir uns gemeinsam durch die Scharen der Souvenirverkäufer und steigen zur Mauer hinauf. Obwohl der Mutanyu-Abschnitt, weniger touristisch sein soll, da er weiter außerhalb gelegen ist, tummeln sich dort für meinen Geschmack zu viele Menschen, wobei ich dann aber auf den touristischen Abschnitt gut und gerne verzichten kann. Auf unserer Rückreise halten wir in einem chinesischen Imbiss, der ohne Bilderspeisekarte und fremdsprachiges Personal auskommt. Wir beide amüsieren uns prächtig bei dem Versuch, den Angestellten mitzuteilen, dass wir essen möchten und sie sollen doch was Leckeres für uns aussuchen und diese – von den Kellnerinnen, über die Kassiererin, bis hin zum Koch, der eigens für uns aus der Küche kommt – lachen über die beiden Fremden, die kein Wort Chinesisch können und was essen wollen. Das Ganze endet schließlich darin, dass wir in die Küche geführt werden, wo wir Reis und Nudeln, sowie ein paar Töpfe gezeigt bekommen und unser Essen sozusagen direkt vor Ort auswählen. Für mich steht noch ein Umzug ins Fly by Knight Hostel an, da meine Reservierung in dem anderen Hostel nur bis zum 30.9. war und außerdem ist Hakon dort und ich mag das Hostel mehr, wenngleich es 50 Yuan mehr pro Nacht kostet. Dafür sind jedoch Frühstück und Spaß inklusive. Als ich dort ankomme ist Hakon noch unterwegs, aber Daniel ist gerade dabei, Essen für ein paar Leute zu bestellen – alles genau richtig gemacht.

Ich habe Daniel die Story mit meinem Telefon erzählt und ihn gefragt, ob er mich nicht in einen der unzähligen Telefonshops begleiten kann, um dort nachzufragen, ob das Telefon repariert werden kann, da sich dies auf Chinesisch um Lichtjahre einfacher gestaltet, als mit Händen und Füßen. Im Laden sagen sie mir, dass sie es versuchen und wenn es nicht klappt, kostet es auch nichts, aber wenn es klappt, müsse ich 350 Yuan zahlen und in zwei Stunden könne ich wiederkommen. Ich „vertreibe“ mir die Zeit in einer Shoppingstreet, was vielleicht nicht die beste Idee war am 1. Oktober in China, denn dort fühlt man sich wie beim Champions-League Finale im Ultrablock. Als ich zurückkomme, schraubt der Techniker gerade das Telefon wieder zusammen, aber schüttelt den Kopf. Per Internetübersetzer teilt er mir mit, es würde nicht funktionieren. Als er es allerdings versucht einzuschalten, geht es an und ich bin begeistert – Telefon, MP3, Wecker, Kalender, Uhr, alles auf einmal für nur 40€.

Danach besuche ich mit Hakon den Palace of Heaven, eine Mischung aus künstlich wirkendem Park und mehreren Tempelanlagen, sowie – vielen Menschen. Auf unserem Weg zurück zum Hostel, wollen wir uns noch mal den Tienanmen-Platz am Nationalfeiertag anschauen, eventuell gibt es dort ja öffentliche Feierlichkeiten. Was es dort gibt ist, sind vor allem Menschen – in Massen. Scheinbar strömt ganz Peking auf den Platz und in die umliegenden Straßen, selbst die Fußwege sind in Spuren eingeteilt und die an den Straßen stehen Zäune, die ein überqueren verhindern. Das zu erleben ist zwar interessant, aber nicht spaßig und so „beeilen“ wir uns aus dieser Zone zu kommen, was sich schwieriger darstellt als gedacht, da sämtliche naheliegenden U-Bahnstationen gesperrt sind und wir somit 1,5 Stunden im Strom mitschwimmen, oder eher treiben. Wie wohltuend ist da das kühle Bier im nur halb gefüllten Restaurants nahe des Hostels, welches unser Abendbrot begleitet.

Am Sonntag heißt es Abschied nehmen von Hakon, da dieser heute zu seiner neuen Gruppe stößt, mit der er 21 Tage lang durch China reisen wird. Doch da dies erst abends passieren soll, nutzen wir und Quinton aus Holland den Tag noch um und das National Museum of China anzuschauen. Ein riesiger Prunkbau, üppig beflaggt und mit einer endlosen Warteschlange, die sich allerdings mit einer überraschenden Geschwindigkeit abbaut. Im Inneren erwarten uns Ausstellungen zur Geschichte Chinas, Design und Bulgari. Warum das Nationalmuseum Chinas eine Ausstellung über die Edelmarke Bulgari beherbergt ist mit nicht klar, aber der Inhalt derselben für uns auch nur von untergeordnetem Interesse und so verbringen wir den Großteil unserer Zeit erst mit der vorkommunistischen Geschichte und anschließend mit dem was ab ca. 1900 passierte. In dem Bereich feiert sich der chinesische Staat, seine Revolution, die Errungenschaften, die Partei, das Militär, Mao, seine Industrie und verweist auf seinen kommunistischen Hintergrund. Ich habe Marx & Engels ja nie gelesen, aber mich beschleicht die Vermutung, dass zwischen dem, was dort einst als kommunistische Idee formuliert wurde und dem, was China im Moment darstellt, doch Welten liegen.

Am Montag verabschiede ich mich schweren Herzens von Daniel und seinem Hostel und mache mich auf den Weg zum Bahnhof, genauer gesagt zur Beijing South Railway Station. Nach mehrmaligem Wechseln der Metro und einem harten Kampf durch die Menschenmenge erreiche ich diesen auch und finde mich in einem Flughafenähnlichen Gebäude wieder, mit Check-In Schaltern, Warteflächen und Gates. Als ich schließlich – pünktlich zehn Minuten vor Abfahrt – meinen Zug gefunden habe bin ich positiv überrascht, denn dieser verdient den Namen Bullet Train auf jeden Fall, ähnelt er jedoch mehr einem Flugzeug, denn einem Zug. Und so nehme ich Platz und lasse den Blick aus dem Fenster schweifen, als sich der Zug langsam in Bewegung setzt…auf nach Hangzhou!

About Steffen

Born in 1980 in good old Magdeburg in the GDR (German Democratic Republic). Stayed there for a while, than went to Cuba for a few months. Afterwards finished my studies of business and computer science and started to work in a big consultant enterprise. Quit this job for obvious reasons. Due to the lack of goodwill at the ZVS I started to work as a freelancer in the sector of SAP consulting in Cologne. Planned to do this only for a few months, now nearly passed by two years. Well, time to move on...
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5 Responses to Ulan Bator – die Zweite und Peking

  1. Rauol says:

    Was ist denn da passiert, der Bart wieder ab!;-)
    Gruss Gordon

  2. David says:

    Steffen, so ne Karte mit Streckenabschnitten fänd ich klasse… Hast Du da schonmal drüber nachgedacht? Scheint’s zu geben für WP: en.support.wordpress.com/google-maps/

    Rock on!

    David

  3. Thomas Ernst says:

    Hallo Steffen,

    ich habe mir angewöhnt Deine Berichte während der feierabendlichen Heimfahrt in der U-Bahn zu lesen. Sehr beeindruckend was Du da machst. Bin gespannt auf weitere Impressionen.

    viele Grüße aus dem verregneten Berlin
    Thomas

  4. Lars says:

    Hey Steffen,

    mal wieder schön geschrieben und super Fotos. Kann mich dem Thomas nur anschließen: “ich habe mir angewöhnt Deine Berichte während der feierabendlichen Heimfahrt in der U-Bahn zu lesen.”

    Hab weiterhin viel Spaß.

    Lars

    PS: Hast mir immer noch nicht gesagt, was mit deiner Brille passiert ist 😉

  5. Maurice Ferge says:

    hey kackarsch.., ich möchte dir mal ein paar ganz liebe grüße dalassen, bin heute erst hier gelandet und find es ganz spannend und vor allem inspirierend Dir etwas in Deinen Zeilen zu folgen. is schon genial was du da machst und erlebst…ich wünsche dir weiterhin viel spaß, alles gute und inspiration für das was man leben nennt…

    peace maurice…

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