Die aufgehende Sonne weckt mich zärtlich mit ihren wärmenden Strahlen in meiner kleinen Koje, während der Bus sanft über die Einfallsstraßen nach Bombay (auch Mumbai) rollt. Die Straßen sind gesäumt mit Werkstätten, Wellblechhütten, kleinen Läden und Restaurants und die Menschen bereits erwachten Menschen machen sich fertig für den Tag. Je tiefer wir in die Stadt vordringen, desto mehr wird die Ambivalenz zwischen reicher Metropole und armem Moloch sichtbar. Bestimmten eben noch Wellblechhütten das Straßenbild, so können es 100m weiter bereits Türme aus Stahl und Glas sein, wohnten eben noch ganze Familien Ärmsten der Armen unter Planen, kaum geschützt vor Sonne und Regen, auf dem blanken Fußweg, ist es nur ein kurzes Stückchen weiter ein penibel gepflegter Golfcourt, wo sich die Reichsten der Reichen verlustieren. Und in den Adern der Stadt fließt stockend ihr Blut, der scheinbar unendliche Strom aus Autos, Bussen, Zweirädern und allerlei Gefährt, das gezogen und geschoben wird.
Die im Bus mitfahrenden Inder verlassen diesen in unregelmäßigen Abständen, wenn es gerade genehm ist und auch fast in Sichtweite unseres Hotels hält der Bus, um die letzte noch im Bus verbliebene Inderin aussteigen zu lassen, was mich veranlasst, dem Busfahrer und seinem Assistenten mitzuteilen, dass wir den Bus nun auch verlassen würden. Ein kurzes und knappes „Nein“ ist die Antwort und schon setzen wir unsere Fahrt fort. Meine Anmerkungen, dass wir in direkter Nähe unsere Hotels wären und alle Inder auch aussteigen würden, wo es ihnen beliebt werden ignoriert und meine Frage, wo wir denn halten würden wird mit einem „Gleich, gleich..“ beantwortet. Das „Gleich“ befindet sich ca. 20 km und ungefähr 1h weiter am anderen Ende der Stadt, so dass wir gezwungen sind, uns ein Taxi für 800 Rps. zu nehmen, was mit uns die Strecke wieder zurückfährt, was bei der Verkehrsdichte und praller Sonne nach einer Nacht im Bus ein wahrer Hochgenuss ist. Doch zumindest ist unser Taxifahrer eine unterhaltsame Bereicherung und wir erreichen schließlich das Milan International Hotel, welches die Gelegenheit einer erfrischenden Dusche bietet. Obwohl mir bewusst war, dass sich das Hotel in der Nähe des Airports befindet, war mir nicht klar wie nah. Dies wird mir bewusst, als ein Flugzeug das Hotel überfliegt und ich ob der Geräuschkulisse instinktiv den nächsten Luftschutzbunker aufsuchen möchte. Die Abstände zwischen den Flugzeugen werden durchfahrenden Zügen gefüllt, denn wie ein Blick aus dem Fenster des Zimmers zeigt, befinden sich die Gleise in nur 20 m Entfernung. Und das alles gibt es für nur 1.300 Rps die Nacht. Ein wahrer Glücksgriff.
Die beiden Sophies bekommen am Nachmittag Verstärkung in Form ihrer Freundin Tully, die aus Thailand einfliegt und für einige Wochen mit in Indien bleiben wird. Aber auch ich bekomme Besuch, der sich mit Höchstgeschwindigkeit in der Business Class der Lufthansa dem Flughafen von Bombay nähert. Mein Freund Ande hat sich nämlich bereit erklärt, Weihnachten und Silvester mit mir in Indien zu verbringen. Aber bis zu seiner Ankunft sind es noch ein paar Stunden, die wir nutzen, um uns zu stärken, Bustickets für die Weiterfahrt nach Hampi zu organisieren und den ersten Supermarkt seit China zu besuchen, in dem es scheinbar alles im Überfluss gibt.
Standesgemäß empfange ich Ande am Flughafen, den man nur betreten darf, wenn man im Besitz einen gültigen Tickets ist und so wird die Stunde des Wartens zum Kampf mit den rücksichtsvollen und zuvorkommenden Indern die sich vor der Arrival hall drängen und anscheinend immer gerne dort stehen wollen, wo ich bereits stehe. Schließlich ist es soweit und meine bleicher, schnauzbärtiger, zwischen den kleinwüchsigen Indern aufragender Freund schlendert – gut erholt und wohl genährt nach dem 8-stündigen Flug im verstellbaren Sessel mit erlesenen Speisen und Getränken und persönlicher Anrede – aus dem klimatisierten Flughafengebäude heraus in die drückende warm-feuchte Nacht in Bombay. Nach einer kurzen, aber deswegen nicht weniger herzlichen Begrüßungszeremonie geht es standesgemäß per Autorickshaw zurück zum Hotel, wo uns nach einem Mitternachtsimbiss mit perfekter Untermalung durch überfliegende Flugzeuge und vorbeifahrende Züge die Augen zufallen.
Der nächste Morgen beginnt so wie der letzte Tag geendet hat, mit dem leichten Beben des Hotels, als ein vollbesetzter Zug daran vorbeifährt und die Insassen durch unser Panoramafenster in unsere verschlafenen Gesichter schauen. Leider ist Ande schon voll bekleidet, als es wie verabredet an unsere Tür klopft und zu seiner Überraschung drei junge attraktive Damen davor stehen, die erst mal rigoros abweist, nein dies Zimmer sei schon belegt, sie müssten sich geirrt haben. Haben sie aber nicht und so machen wir uns nach einer kurzen Vorstellungsrunde auf zum Frühstück, was in einen indischen Brunch ausartet, da erstens alle hungrig und mit gutem Appetit ausgestattet sind und zweitens eine Menge indischer Gerichte probiert werden möchten. Ja wer kennt sie nicht, Paneer Butter Masala (Käse in einer dicken würzigen tomatigen Sauce), Chana Masala (Kichererbsen in Curry) und auch immer wieder gerne bestellt – Dhal makhani (Linsencurry mit Tomatennote und einem Hauch zerlassener Butter), wahlweise mit Reis, Chapati (auch Roti genannt, hauchdünnes Fladenbrot), oder Naan (dickeres Fladenbrot aus dem Tandoori-Ofen, gibt es mit Knoblauch, Käse, Chili, Zwiebeln u.v.m.). Aber auch Masala Dosa, ein eher südindisches Gericht (riesiger Reispfannkuchen mit Kartoffelcurry gefüllt) darf nicht fehlen auf dem mittlerweile übervollen Tisch und die Kellner bringen noch mehr…. Kugelrund und gut gelaunt kann es nun mit dem ÖPNV durch die Stadt gehen. Als Ziel haben wir uns das Gateway of India ausgesucht. Dies ist ein aus Stein errichtetes Tor direkt am Meer gelegen, neben dem Taj-Hotel, welches vor noch gar nicht so langer Zeit Ziel extremistischer Angriffe wurde (man erinnert sich hier an die Schießereien in Bombay) und im Erdgeschoss Niederlassungen der Marken Armani, Gucci, Dior und Yves Saint Laurent beherbergt, aus welchen vermutlich 99% aller Inder mit Knutenschlägen vertrieben würden, sollten sie es wagen dort aufzutauchen. Das Gateway selbst ist in Kürze bestaunt und bewundert und so schlendern wir noch ein wenig durch die benachbarten Straßen und Gassen und atmen den Duft Bombays, bevor wir im gnadenlos überfüllten Zug – welcher interkulturelle Erfahrungen ganz besonderer Art in sich birgt, wenn sich links und rechts vom Gesicht geschwitzte Achselhöhlen darbieten und Männerpos an meinen Schoß pressen – ins Hotel zurück kehren und uns reisefertig machen, denn es geht heute ja noch weiter nach Hampi. Ganz normal ist der Bus natürlich nicht zur vereinbarten Zeit am vereinbarten Ort und mit nur einer Stunde Verspätung dürfen wir auf den mit Mühe und Not noch überteuert ergatterten letzten Plätzen in der hintersten Reihe Platz nehmen. Die Alternative wäre gewesen 2-3 Tage später zu fahren und ist somit obsolet. Damit wir auch nicht gleich einschlafen und uns gut unterhalten fühlen, werden auf den im Bus installierten LCD-Bildschirmen Bollywood-Komödien gezeigt, die von derartiger Güte sind, dass sie ein konstantes Stirnrunzeln anstelle eines Lachens auf mein Gesicht zaubern. Aber schließlich fallen auch mir die Augen zu und ich habe eine weitere wundervolle Nacht, mit erholsamen Schlaf in einem unterkühlten Bus auf löchrigen Strassen hinter mir.
Nach der ca. 12-stündigen Fahrt sind wir aber noch lange nicht am Ziel, nein am Stadtrand von Hubli werden wir aus dem Bus geworfen, wo sich bereits Rickshawfahrer eingefunden haben, die uns wie junge ambitionierte Finanzberater ihre überteuerten Dienste aufschwatzen wollen. Fakt ist, wir brauchen Rickshaws, zwei an der Zahl, um uns alle samt Gepäck zur Busstation zu transportieren, aber Fakt ist auch, dass der verlangte Preis ca. 300% des Normalpreises entspricht und so wird kurz verhandelt bis man sich bei 200% geeinigt hat und schon geht es los im luftigen Gefährt durch das morgendliche Hubli. Am Busbahnhof angekommen verrät man uns, dass auf von Hubli keine direkte Verbindung nach Hampi bestünde, man müsse mit dem Bus bis nach Hospet fahren und von dort weiter nach Hampi. Bis nach Hospet seien es aber nur 150km und der Bus würde gleich kommen, wir sollen nur warten. Das tun wir und aus gleich wir eine knappe Stunde und aus den 150km werden 4 Stunden auf einer Straße, die sich mitunter noch im Bau befindet. Aber auch diese beschwerliche Etappe legen wir erfolgreich zurück, fahren die letzten Kilometer von Hospet nach Hampi per Rickshaw, wo wir einen ersten Eindruck der beeindruckenden Landschaft mit ihren abstrakten Felsformationen und eindrucksvollen Tempeln bekommen, bevor wir in unser Guesthouse gelangen, welches aus einfachen, aber sauberen Bungalows, sogar inklusive intakter Moskitonetze besteht und am Rande Hampis gelegen ist. Zu unserer Freude hat es auch ein überdachtes Rondell mit Kissen und Tischchen und sogar Musik, welches zum Entspannen und Abhängen einlädt.
Damit uns der Kramp wie mit den Bustickets nach Hampi nicht noch mal auf dem weg nach Goa passiert, führt uns unser erster Weg in die Reiseagentur und glücklich wie wir sind, bekommen wir die letzten fünf Plätze im Bus. Yes! Nun steht unserem gemeinsamen Abendessen nichts mehr im Weg und da Heiligabend ist, lassen wir uns auch nicht lumpen und gehen ins beste Haus am Platze, wo ein Essen auch schon mal drei bis vier Euro kosten kann. Da Hampi ein spiritueller Ort ist, sind Fleischprodukte und Drogen (darunter fallen auch Alkoholika) dort offiziell nicht erlaubt und zu erwerben. Vermutlich deswegen muss ich auf das in unserer Familie traditionelle Essen zu Heiligabend – Kartoffelsalat mit Würstchen – verzichten und stattdessen gibt es Hummus (Kichererbsenmus) und Pizza. Klingt nicht gerade weihnachtlich, aber mitten in Indien ist mir nicht wirklich weihnachtlich zu Mute, auch wenn die Inder bunte Lichter und „Happy Christmas“-Schilder aufgehängt haben. Das weihnachtlichste am ganzen Abend ist der Anruf zu Hause, wo sich meine Familie versammelt hat und über die „Weihnachtsüberraschung“ freut.
Die Weihnachtsfeiertage verbringen wir ganz unspektakulär und schauen uns ausgiebig die Tempelanlagen Hampis an, genießen die Landschaft, das gute Essen und versuchen nicht ins Schwitzen zu kommen, was bei den vorherrschenden Temperaturen gar nicht mal so leicht ist. Am Abend des 26.12. besteigen wir wieder mal einen Bus, diesmal nach Goa und irgendwie bin ich gar nicht überrascht, als uns kein Schlafbus, sondern eine Kurzstreckenversion abholt und uns der Fahrer mitteilt, unser Bus sei kaputt, aber wir würden jetzt nach Hubli gebracht, wo der richtige Bus auf uns warten würde, was er auch tatsächlich tut. Beim Einsteigen treffen wir auf Jon und Raiph, zwei wunderbare Briten, deren Koje direkt neben der unsrigen ist und die sich auch sogleich mit einer Flasche Jack Daniels vorstellen, was wesentlich zur Qualität des Schlafes auf den indischen Straßen beiträgt.
Damit auch jeder mitbekommt, wo wir überall halten und wer dort aussteigt, schreit der Assistent des Busfahrers die Namen der Orte durch den Bus, als würde er sich jemandem am anderen Ufer des Bosporus mitteilen wollen und um sicherzugehen, dass auch alle wach werden, wiederholt er dies so lange, ihn auch der Letzte mit schlaftrunkenem und fragendem Blick anschaut. Gegen 6.30 Uhr ruft er schließlich unseren Halt auf und wir fallen noch im Halbschlaf aus dem Bus und direkt in die Arme der Heerscharen von Taxi- und Rickshawfahrern, die wir gekonnt abwimmeln und uns zunächst mit frischem Bargeld versorgen, denn in Hampi gibt es keine Geldautomaten. Wieso sollten an einem Ort, der hauptsächlich von Touristen frequentiert wird auch Geldautomaten platziert sein.
Nunmehr in der Lage den Taxifahrer für seine Dienste auch zu entlohnen, besteigen wir ein Gefährt und fahren nach Candolim, denn von dort ist das Sunburn-Festival, welches wir die nächsten drei Tage besuchen wollen fußläufig zu erreichen. Wovor uns sämtliche Reiseführer bereits gewarnt haben und was uns der Taxifahrer nun bestätigt, ist die Tatsache, dass Goa und auch insbesondere Candolim zwischen Weihnachten und Silvester gnadenlos überlaufen ist und zwar mehrheitlich mit britischen und russischen Pauschaltouristen und deswegen freie Unterkünfte erstens knapp und zweitens gnadenlos überteuert sind. Die Zimmer, die wir in den Hotels angeboten bekommen, sollen 2500 Rupees (ca. 40€) kosten, allerdings nicht für drei Tage für alle, sondern pro Nacht und pro Person. Mit all unserem Charme und seiner Verhandlungskunst, die Ande in die Waagschale wirft, landen wir schließlich bei 2000 Rps., was immer noch viel zu viel ist und so gibt es erst mal einen Kaffee mit frischen Backwaren in der Deutschen Bäckerei, gleich um die Ecke, die von Tibetern betrieben wird, was die Frage aufwirft, ob es dann nun eine indische Bäckerei ist, weil sie in Indien ist, oder eine tibetische, weil Tibeter sie betreiben. Vermutlich standen diese vor dem gleichen Problem und sowohl dieses geöst, als auch einen Marketingcoup gelandet, als sie sich für die Deutsche entschieden haben. Gerade als sich bei uns Frustration und Ratlosigkeit breit zu machen droht, denn die in der Zwischenzeit getätigten Anrufe bei verschiedensten Gerbergen führen zu nichts, kommt Tully strahlend von der Toilette zurück gehüpft. Nicht dass der Toilettengang so überragend und wunderschön gewesen wäre, aber sie hätte mit der Besitzerin des an die Bäckerei angeschlossenen Gasthauses gesprochen und diese hätte einen großen Raum, was einige Matratzen auf dem Boden erfordern würde, sogar mit zwei „Badezimmern“ und Terasse für uns alle für läppische 1000 Rupees (17€) pro Tag. Diese Nachricht löst Freude aus und in Rekordzeit sind die Kaffeetassen geleert, die Zimt-Rosinen-Schnecke verzehrt und die Rucksäcke in unserem neuen Domizil verstaut. Darauf gibt’s erst mal ein Bier, denn schließlich ist es mittlerweile auch schon kurz nach 9 Uhr.
Das Sunburn-Festival birgt einige Überraschungen in sich. Es wird zwar angepriesen „on the beach“, befindet sich dann aber komplett umzäunt ca. 500m vom Wasser entfernt und ist nur mit viel Phantasie „on the beach“, aber immerhin unter Palmen. Des Weiteren hat es Öffnungszeiten. Von 14-22 Uhr darf dort ausgelassen gefeiert werden. Das widerspricht nun meiner Vorstellung eines mehrtägigen Festivals, wo ich entscheiden kann möchte, wann ich feiern gehe und wann Ruhezeit ist. Aber nicht so in Indien und da wir am ersten Tag „erst“ um 18 Uhr vor Ort sind, bleibt uns nicht mehr viel Zeit. Die Getränkepreise auf dem Gelände, auf dem eigene Getränke nicht gestattet sind, bewegen sich dagegen fast auf europäischem Niveau, was erklärt, warum sich keine Schlangen an den Bars bilden. Dies ist allerdings nicht der alleinige Grund, wie mir Ande nach einem kurzen Besuch am Ausschank mitteilt, denn der Alkohol sei auch noch gar nicht da. Das ist Indien! Ein riesiges Festival für zehntausende Besucher, welches seit Monaten geplant und seit Stunden in Gange ist und der Alkohol ist noch nicht da. Amüsant, aber tangiert mich nicht wirklich, da ich während der letzten Wochen nur wenig trank und dies auch beibehalte. Aber irgendwann ist auch dieses „Problem“ gelöst und bevor wir uns versehen ist es 22 Uhr und die Security entfernt alle Besucher vom Gelände in atemberaubender Geschwindigkeit.
Nach anfänglicher Ratlosigkeit, was denn nun zu tun sei und niemand bereit ist die horrenden Preise für die minderwertigen Aftershowparties zu bezahlen, machen wir uns auf den Weg zum Strand , um nach Hause zu laufen, aber da dieser gepflastert ist mit Bars und Restaurants und für jeden Musikgeschmack etwas zu bieten hat, benötigen wir mehrere Stunden für unseren Heimweg.
Das Sunburn-Festival ist auch am folgenden Tag Hauptprogrammpunkt. Dieses Mal sind wir etwas früher da, treffen all unsere Freunde, die uns am Vortag kennengelernt haben und feiern wiederum ausgelassen. Glücklicherweise treffen wir diesmal Rasu aus Bombay, der mit seiner gesamten Clique vor Ort ist und für uns die Anschlussaktivitäten organisiert. Kurzerhand werden wir in ein Taxi gesteckt und ins benachbarte Anjuna verfrachtet, wo sich der UV-Club direkt am felsigen Strand befindet, vor dessen Eingang sich die Partymeute drängt. Doch Rasu hat nicht vor sich der zahlendenden Menge anzuschließen und so finden wir uns nur wenige Minuten später, nachdem wir über 1-2 Mauern gehüpft sind und uns etwas durch das Dunkel geschlichen haben, was im UV-Club keine große Kunst ist, da dort – wie der Name schon sagt – nur UV-Licht vorhanden ist, mitten auf der Tanzfläche wieder und werden mit ca. 180 bpm Darkpsy beschallt. Ich hätte es dort auch eine Weile ausgehalten, aber als ich die leicht schrägen Köpfe und hochgezogenen Augenbrauen meiner Begleiter sehe, ist mir klar, dass wir den Club wohl in kürzester Zeit wieder verlassen werden. Halb so wild, es war ein amüsanter Ausflug.
Nach kurzer Feilscherei geht es per Taxi zurück nach Calangute Beach und gerade als Freund Ande aus dem Taxi steigt, setzt ein neben uns geparktes Auto zurück und quetscht ihn so zwischen sich und dem Taxi. Bereits nach mehrmaligen lauten (Schmerzens)Schreien registriert der hochaufmerksame Fahrer dies und erlöst Ande, indem er wieder etwas vorfährt. Bravo! Gottseidank ist Ande nichts passiert, ein kleiner Kratzer. Doch was viel schlimmer ist, unser Taxi hat nun eine Delle und das veranlasst den Fahrer den offensichtlich total neben sich stehenden und berauschten Schadensverursacher mit für uns unverständlichen wüsten Beschimpfungen und Hasstiraden zu überziehen und ihm auch ab und an einen kleinen Denkanstoß mit der flachen Hand zu verpassen. Felsenfest davon überzeugt, dass ja nun gleich die Polizei kommen würde und wir dann als Zeugen zur Verfügung stehen müssten, warten wir an am Ort des Geschehens, doch nichts passiert. Es kommt keine Polizei und auch sonst niemand interessiert sich für uns, so dass wir uns per pedes auf den Heimweg machen.
Von Calangute Beach kann es ja nicht weit bis zu uns sein und als wir den Strand erreichen fangen wir an nach links zu laufen, was sich als fataler Fehler herausstellt, als wir 45 Minuten später die benachbarte Ortschaft samt Partymeile erreichen. Aber so schlimm ist der Fehler gar nicht, denn immerhin kommen wir so in den Genuss, inmitten einer indischen Partycrowd zu feiern, die komischerweise aber – wieder einmal – zu 98% aus männlichen Vertretern unserer Spezies besteht und die sukzessive tanzend Sophie umringen, bis wir sie kaum noch sehen können, was dazu führt, dass wir uns dann doch lieber entfernen. Mit einem noch etwas eigenartigen Gefühl im Bauch schlendern wir die „Promenade“ entlang, die einen gewissen mallorquinischen Charakter hat. Offene Bars und Diskotheken aus denen laute Mainstreammusik schallt, unzählige stark Betrunkene tanzen und taumeln auf den Straßen, den Pfützen aus Erbrochenem mehr oder weniger ausweichend. Also nehmen wir doch wieder ein Taxi, diesmal aber direkt zu uns, um etwaige Navigationsfehler von vornherein zu eliminieren, wo uns Tully und Sohpie2 mit drei minderjährig wirkenden Briten erwarten, die sich vor allem durch das Tragen hautenger Leggins und gewickelter Stoffstreifen um den Kopf auszeichnen. Genau das was man sich wünscht, wenn man im Morgengrauen nach Hause kommt. So sind wir eben nicht sieben, sondern zehn Leute in unserem Zimmer.
Als ich aufwache sind die Jungs noch da. Wie ich erfahre, sind es drei Brüder, Anfang 20, eigentlich im Familienurlaub in Südindien, wollten aber zum Festival und so haben ihre Eltern sie in ein Taxi für die knapp 1000 km gesteckt und mit Bargeld ausgestattet. Ein Zimmer haben sie nicht, sie „wohnen am Strand“ – was offensichtlich nicht stimmt, denn sie wohnen ja bei uns und machen auch keine Anstalten abzuhauen– und so bieten wir ihnen als eine erfrischende Dusche an, was erheblich zur Verbesserung der Luftqualität in unserem Domizil beiträgt.
Um unsere Budget etwas zu schonen, haben wir uns für den letzten Tag des Festivals überlegt, reichlich günstigen Alkohol im Vorfeld zu erwerben und zu konsumieren. Ein altbewehrte Taktik. So machen wir uns bereits leicht angeheitert und mit reichlich „Verpflegung“ auf den Weg zum Festivalgelände. Da ich mich die letzten Tage vornehm zurückhielt, habe ich beschlossen „es heut mal so richtig krachen zu lassen“. Es endet anders als erwartet. Um es kurz zu machen, nach 30 Minuten Aufenthalt muss ich das Gelände verlassen, benötige trotz Betreuung durch Ande ca. 2,5 Stunden für den Rückweg und liege gegen 22 Uhr mit vollkommen entleertem Magen wieder im Bett. Welch ein gelungener Partyabend.
Am nächsten Tag verlassen uns Jon und Raiph nach einem kurzen herzlichen Abschied, um sich eine passende Location für Silvester zu suchen und wir lassen den Tag mit Pizza und einigen Filmen ausklingen.
Die letzten Tage, oder besser gesagt Nächte vergingen im Flug und wir haben den 31.12., umgangssprachlich auch Silvester genannt. Ande und ich haben uns überlegt, dass wir auch noch eine andere Location aufsuchen könnten, was jedoch am Verkehrsaufkommen scheitert, welches eindeutig zu groß ist für die Straßen Goas und dafür sorgt, dass wir für 500m ca. 20 Minuten im Taxi brauchen. Neben den schon vor Ort befindlichen Touristen, fallen nun auch Unmengen indischer Junggesellen in Autos, Jeeps und Bussen aus den umliegenden Bundesstaaten, wie die Kennzeichen verraten, in denen Alkoholkonsum in der Regel verboten und halbnackte westliche Frauen nicht vorhanden sind in Goa ein. Eine halbe Stunde nach unserem Aufbrechen, stehen wir wieder bei unseren Mädels vor der Tür. Zum Abendessen stoßen noch unsere drei iranischen Freunde zu uns und wir dinieren zusammen mit einer Mischung aus indischen Gerichten und köstlichem Seafood, bevor wir uns auf den Weg zum Strand machen. Dort angekommen müssen wir jedoch enttäuschend feststellen, dass dort absolut gar nichts geht. Den Älteren in der Gruppe ist bewusst, dass es gerade erst kurz nach 21 Uhr ist und sich der Strand später wohl noch genügend füllen wird. Doch die Youngster sind stark beunruhigt und befürchten die Party des Lebens zu verpassen, so dass wir nach kurzer Analyse der Verkehrsverhältnisse ins Taxi hüpfen und uns auf den Weg zum Club machen. Doch leider täuschte der erste Eindruck und das Chaos auf den Straßen war nur nicht sichtbar. Jedenfalls verbringen wir die nächste Stunde schwitzend im Großraumtaxi bei Schrittgeschwindigkeit, bis wir die letzten 2km zum Club laufen, knappe 8 Euro Eintritt pro Person zahlen und dann in einem Club stehen, in dem sich ca. 40 – na wer weiß es?! – männliche Inder befinden und wo seltsame elektronische Musik im Stil der 90er Jahre läuft. Die Mädels nehmen es gelassen, ich muss über diese skurrile Situation lachen und andere sind sichtlich frustriert die Hälfte des Abends im Taxi verbracht zu haben, um dann in diesem miserablen Etablissement gelandet zu sein. Als dann fünf vor 12 „Happy Birthday“ durch das Mikrofon gerufen wird, sich das ganze um 23:58 Uhr noch mal wiederholt und das „Feuerwerk“ zu 50% in der Luft und zu 50% in den umliegenden Bäumen und Büschen explodiert ist es dann doch zu viel des Guten und während die eine Hälfte der Gruppe dort bleibt, fährt die andere Hälfte zurück zum Strand, der sich inzwischen in eine belebte Partymeile verwandelt hat und beendet den Abend dort.
In den ersten Tagen des neuen Jahres reisen die Mädels weiter entlang der Küste Goa’s und ich ziehe mit Ande in ein adäquates Zimmer und wir pendeln zwischen Restaurants, Strand und Hostel.
Die Highlights sind unsere Scootertour zu den eher unschönen Stränden von Anjuna und Vagator. Als wir uns an den Klippen Vagators gerade auf eine Bank setzen wollen, kommt ein Inder auf mich zu und teilt mir mit ich hätte da Seife am Ohr. Dankend wische ich mir über das Ohr, aber kann nichts feststellen. Nein, er meine im Ohr, er könne da kurz mal schauen, das macht er auch und hat schnell eine überdurchschnittlich große Menge dessen was landläufig als „Ohrenschmalz“ bezeichnet wird aus meinem Ohr gefischt. Das wundert mich etwas, schließlich habe ich erst vor wenigen Tagen in Eigenregie meine Ohren gereinigt, aber anscheinend ist er da Fachmann und hat spezielles Equipment. Ich solle mich doch mal kurz auf die Bank setzen und er würde schauen, sei auch ganz billig, nur 100 Rupess (<2€). Also warum nicht. Bei der genaueren Untersuchung teilt er mir dann jedoch mit, ich hätte einen „Ohrenstein“. Ohrenstein, da habe ich ja noch nie was von gehört, aber eventuell meint er ja einen Pfropf. Und für 200 Rupees würde er auch diesen entfernen. Was er dann aus meinem Ohr holt, ist jedoch ein kleines Kügelchen mit einer tonartigen Konsistenz und da wäre noch eins, zwei. Und auch auf der anderen Seite hätte ich diese. Irgendwie bin ich perplex und fühle mich überrumpelt, ist sowas wirklich in meinen Ohren und wieso weiß in Europa niemand etwas davon. Aber auch bei Ande wird sein Kollege fündig und befreit von unseren Ohrensteinen, aber ca 15 Euro ärmer verlassen wir den Ort des Geschehens, gründlich reingelegt und abgezockt von indischen Ohrenreinigern.
Aber auch am Strand kann man einiges erleben. Gerade als wir vertieft in unser Schachspiel dabei sind uns einen leichten Sonnenbrand zuzuziehen, können wir ein interessantes Schauspiel der indischen Sozialkultur beobachten. Zwei sichtbar stark alkoholisierte Männchen indischen Ursprungs, „schwimmen“ im knöcheltiefen Wasser und taumeln hin und her, bis sie auf die Idee kommen sich ihrer Badebekleidung zu entledigen. Dies gefällt dem örtlichen Baywatchmitarbeiter jedoch gar nicht und entrüstet stürmt er samt seiner roten Rettungsboje auf die beiden zu, um diese den Nudisten mehrfach auf den Kopf zu schlagen. Doch anscheinend scheint ihm diese Form der Züchtigung zu milde, denn schließlich ist die Boje nur aus Plastik und so verprügelt er die beiden weiter mit seinen Fäusten, während diese sich bekleidend aus dem Wasser waten, aber keinen Widerstand leisten. Am Strand angekommen, schließen sich auch noch andere Freiwillige der Sozialisierungsmaßnahme an. Eine Szenerie, die an öffentliche Schwimmbäder in deutschen Problembezirken erinnert, nur dass hier die Rollen vertauscht sind und nicht der Bademeister verhauen wird. Den Höhepunkt stellt ein sogenannter „Soccerkick“ des Lifeguards dar, wie man ihn sonst nur aus den regellosesten amerikanischen Varianten der in Deutschland heiß diskutierten „ach so brutalen Käfigkämpfe“ kennt. Natürlich ist es viel humaner, wenn sich zwei Schwergewichte 12 Runden á drei Minuten gegenseitig den Kürbis zermatschen. Für einen ordentlichen Soccerkick begibt sich das Opfer auf Knie und Hände und streckt den Kopf etwas nach vorne, so dass der Kicker diesen wie bei einem Fußballabstoß anvisieren und mit kinetischer Energie versehen kann. Das skurrile an dem Geschehen am indischen Strand ist, dass niemand für die Opfer Partei ergreift und diese sich beschämt davon schleichen.
Da Ande mich am 4. Januar verlassen wird, plane auch ich meine Abreise aus Goa und begebe mich in eines der unzähligen Reisebüros, um meine Zugtickets für die Weiterreise nach Kerala zu erwerben. Klar und deutlich formuliere ich meinem Wunsch nach einem Fahrschein für einen Nachtzug, der Goa am 5.1. abends verlassen wird. Nach einem kurzen Blick in ihren Computer und einem Telefonat versichert mir die Mitarbeiterin der Agentur, das sei gar kein Problem und würde auch nur 1200 Rps. (ca. 20€) kosten, die ich aber sofort bezahlen müsste, um mir den Platz zu sichern. Der Preis scheint mir etwas zu hoch, aber angesichts der Hochsaison und der überlasteten Züge, bin ich froh so zeitnah einen Platz bekommen zu können und willige ein. Als ich jedoch am nächsten Tag mein Ticket abhole, ist es für einen ganz anderen Zug gebucht, der Goa um 4 Uhr morgens verlassen wird und der Preis auf dem Ticket beträgt 385 Rps. Nun sei doch kein Platz mehr frei gewesen, aber man habe mir einen anderen, gleichwertigen Platz besorgt. Mal abgesehen von den unverschämten 200% Aufschlag ist die Fahrkarte keineswegs gleichwertig, denn wer möchte bitte nachts todmüde mit dem Taxi für weitere 1300 Rps nach Mapusa fahren, wenn das tagsüber ausgeschlafen mit dem ÖPNV für 20 Rps. ginge. Aber da ich im voraus bezahlt habe, ist mein Reklamationsanspruch quasi nicht vorhanden. Gut was solls, eine weitere „abenteuerliche und aufregende“ Zugfahrt steht bevor. Schweren Herzens verabschiede ich mich von Ande, organisiere ein verlässliches Taxi, das mich nachts abholen soll und packe meine Sachen. Mit deutscher Pünktlichkeit bin nicht ich vor meinem Hostel, sondern mein Freund der Taxifahrer. Aber er erklärt mir nach dem ich in seinen Wagen gestiegen bin auch gleich, dass er Christ ist und somit ganz anders als die Hindus und Moslems, die nun nach und nach die Mehrheit in Goa bilden und die ehemals vorherrschende christliche Gemeinschaft verdrängen würden. Nach einer erheiternden nahezu nicht enden wollenden Schimpftirade auf einen Polizisten, der ihn an einem Checkpoint kontrollieren will, aber ihn doch kennen und wissen müsse, das er nachts Touristen zum Flughafen oder Bahnhof bringt, ist es mir vergönnt noch ein wenig die Augen zu schließen, bevor ich pünktlich um 3 Uhr morgens den Bahnhof in Mapusa erreiche, wo eine Stunde später mein Zug abfahren soll. Aber man weiß ja nie und schon gar nicht in Indien und sicher ist sowieso sicher.
Nachdem ich mich mehrmals durch die etlichen aushängenden Listen mit den Passagierlisten für die eintreffenden Züge gelesen habe, mich aber nicht finden konnte, frage ich an der Information nach, wo man mir zwar meinen Platz bestätigt, aber im selben Atemzug auch mitteilt, dass der Zug Verspätung habe. Circa eine Stunde. Also vertrete ich mir etwas die Füße zwischen den – wie üblich – zahllosen auf dem blanken, oder mit einer Zeitung bedeckten Boden Schlafenden. Doch auch um 5 Uhr ist noch nichts vom Zug zu sehen, nicht um 6 Uhr, nein um 7 Uhr rollt er endlich in den Bahnhof ein. Leicht ermüdet und mich auf meinen verdienten Schlaf freuend finde ich mein „Bett“, doch was mir nicht bewusst war, aber nun schlagartig vor Augen geführt wird ist, dass der Zug ja gegen 7 Uhr erwacht. Das heißt ich lege mich hin und alle anderen stehen auf, fangen an zu erzählen, zu telefonieren und Musik zu hören. Aber dank meiner Sunburn-Ohrstöpsel bekomme ich wenigstens zwei Stunden Schlaf, bevor ich erwache und sich meine vier indischen Abteilsmitbewohner vorstellen. Rayesh, Babu, Subashu und Kuaya, vier Kollegen, waren in Bombay und sind nun auf dem Rückweg in ihre Heimat im Süden Indiens. Nach den üblichen Fragen nach Name, Wohnort, Eltern, Geschwistern, Ehefrau und Kindern, fangen sie mit Hilfe eines Kinderheftes an, mir einige Worte Malayalam – dem in Kerala (hauptsächlich) gesprochenen Sprache – beizubringen, was zur gegenseitigen Belustigung beträgt und die 14-stündige Zugfahrt nach Ernakulam aka Fort Cochin verkürzt, welches ich gegen 21.30 Uhr erreiche, mir eine Rickshaw schnappe und zu einem der in einschlägigen Reiseführern empfohlenen Hostels chauffieren lasse. Allerdings verwundert mich, dass sich die Preise seit dem Vorjahr, in dem der Reiseführer erschien, verdoppelt haben, aber was passiert nicht alles in kurzer Zeit in unserer Welt – damals war Guttenberg noch Verteidigungsminister, Gaddafi ein im Westen umworbener Diktator und die FDP über der 5% Hürde. Und so sinke ich nach einem warmen Abendmahl in das weiche weiße Bett und falle in einen tiefen Schlaf…
Hallo Steffen,
wie ich lesen konnte hattest du mal wieder ein Riesen Spaß mit Kumpel Ande.
Am besten ist die Sache mit dem Ohrenmann( Hammer) .Gibt es dort auch Nasenmänner?
Naja auf jeden Fall habe ich mich wieder herzlich amüsiert über deinen Reisebericht.
Ich wünsche dir ein erlebnisreiches Osterfest.
Bis dann und Grüße aus der Heimat von Emil, Gordon, Annika